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Die Geächteten

Die Geächteten

Titel: Die Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hillary Jordan
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zusammen wie in einer Sauna.«
    Bridgets Name stand unter der geheimnisvollen Überschrift Silpa. Hannah zeigte darauf und fragte: »Was bedeutet das?«
    »Persönlicher Lakai von Mrs. Henley. Ich musste das nie tun – nur ihre Lieblinge sind dafür auserkoren –, doch ich habe gehört, dass man meist Briefe schreiben und den Salon und das Studierzimmer aufräumen und sie in der Stadt herumfahren muss.«
    »Sie dürfen das Zentrum verlassen?«
    »Ja, und du solltest sie hören, wie sie sich hinterher uns gegenüber aufspielen.« Kayla schnaubte. »Was mich anbetrifft, können sie diesen Job gerne machen. Je weiter ich von dieser Frau weg bin, umso besser.«
    »Das betrifft dich und mich«, sagte Hannah mit mehr Gefühl, als sie beabsichtigt hatte.
    »Geht es dir gut nach Samstag?«, fragte Kayla. »Du hast ausgesehen, als ob man dich durch den Wolf gedreht hätte. So sieht jeder aus, der da rauskommt«, fügte sie rasch hinzu.
    »Mir geht es gut.« Die Worte klangen wie auswendig gelernt und, nach Kaylas Gesichtsausdruck zu urteilen, nur wenig überzeugend.
    Würde Hannah je wieder in der Lage sein, diese Worte zu sagen und sie auch so zu meinen?
    Als sie einige Minuten später zur Erleuchtung ging, sah sie erleichtert, dass der einzelne Stuhl weg war und stattdessen zehn Stühle im Kreis standen. Die Augen des Erleuchters weiteten sich für den Bruchteil einer Sekunde, als er ihre Puppe sah, doch er sagte nichts. Als alle Platz genommen hatten, wandte er sich der Frau zu seiner Linken zu.
    »Monica, warum fängst du nicht an?«, sagte er.
    »Das ist meine Tochter Shiloh. Ihr Vater drohte mir, mich zu verlassen, wenn ich sie nicht abtreiben lassen würde, doch ich hätte mehr an sie denken sollen als an ihn. Vergib mir, Shiloh, dass ich dir dein kostbares Leben genommen habe.«
    »Das ist mein kleiner Junge Christopher. Ich hatte Angst, meine Eltern würden mich rauswerfen, wenn sie von meiner Schwangerschaft erführen. Vergib mir, Christopher, dass ich dir dein kostbares Leben genommen habe.«
    »Das ist meine Tochter Aisha …«
    »Das ist mein süßer Octavio …«
    Zum Schluss war Hannah dran. Sie zögerte nicht. Sie hatte gleich, nachdem sie schwanger geworden war, gewusst, wie sie ihr Kind nennen würde – ihr Kind und das von Aidan, anfangs so winzig wie ein Staubkorn, das sich im Innern ihres Schoßes ernährte. Versteckt, wundersam, unbekannt. Unwillkommen.
    »Das ist meine Tochter Pearl«, sagte sie.
    Am Mittwochnachmittag nahm Hannah mit den anderen ihren Platz auf der Chorempore ein, um die neue Wanderin »willkommen zu heißen«. Ein Strom unverkennbarer Aufregung pulsierte durch den Raum, während sie auf ihre Ankunft warteten. Sie waren eine Meute, die Beute roch, und Hannah war eine von ihnen. Doch als die Frau – eine Rote mittleren Alters mit grauem Haar und herabhängenden Brüsten – die schmale Tür öffnete und in den Raum schritt, beim Klang ihrer Stimmen ängstlich um sich starrte, sich duckte und bedeckte, um sich den Blicken der anderen zu entziehen, da war Hannahs Aufregung wie weggeblasen. Stattdessen empfand sie Bedauern und Mitleid.
    Später wurde ihr klar, dass die Reaktionen der Frauen mehr der Langeweile geschuldet waren als der Gier und Grausamkeit. Die Tage im Zentrum vergingen unerträglich langsam, sie gingen ineinander über wie die Farben in einem Glas mit gebrauchten Pinseln und mündeten schließlich in einem einheitlichen bleiernen Grau. Predigten, Mahlzeiten, Erleuchtung, Arbeit, Wiederholung. Sie und alle anderen Frauen hier hungerten nach Abwechslung.
    Sie lebte für die Samstagnachmittage, an denen die Zeit ihr ganz allein gehörte, sie Briefe von ihrem Vater und Becca lesen konnte, bittersüße Briefe, die stets geöffnet waren, wahrscheinlich von Mrs. Henley. Die Briefe ihres Vaters klangen unbeholfen; es waren erbarmungslos aufgekratzte Berichte über das Wetter, Lokalnachrichten und Neuigkeiten von der Familie:
    Liebe Hannah,
    ich hoffe, es geht dir gut und du hast inzwischen Freunde gewonnen. Uns allen geht es gut. Und obwohl für morgen eine stürmische Kaltfront angekündigt ist, haben wir heute 18 °C und die Sonne scheint. Mit anderen Worten, das typische Wetter von Texas!
    Pastor Maynard hat als Hauptpastor angefangen, doch die Schuhe, die er füllen muss, sind sehr groß. Seit Pastor Dale uns verlassen hat, hat auch die Besucherzahl ein wenig nachgelassen. Sosehr wir ihn auch vermissen, so sind wir doch stolz auf das, was er in Washington macht. Natürlich

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