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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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umgehen sollen.»
    Das ging mir ganz genauso. Im Licht der abgeschirmten Lampe konnte ich sein Gesicht sehen, doch innerlich sah ich seine Züge wieder von Schweiß und Fieber gezeichnet.
    Beinahe wünschte ich, dass sie … aus meinem Leben verschwände. Und was heißt schon beinahe, wenn es ums Wünschen geht.
    «Du liebst sie», sagte ich verzweifelt. «Du liebst Amy.»
    «Von Anfang an. Es war eine Liebesheirat. Wann gibt es das schon bei einem Mann meines Standes.»
    Dudley setzte sich neben den Erdhaufen, seine Beine hingen über mir in die Grube.
    «Es hat mich unheimlich erschüttert, wie sie das sagte. Als wäre es vorherbestimmt. Zum Wohle des Landes.»
    «Mit wem hat sie noch … darüber gesprochen?»
    «Ich weiß es nicht und wage nicht, darüber nachzudenken. Ich knie da in der Kapelle meiner Familie, von Selbsthass zerfressen, und rufe laut zu Gott, damit –» Er beugte sich ein wenig vor, und das schummerige Licht der Laterne fiel auf sein Gesicht. «John, ich weiß nicht, worum ich bete. Ich kann nicht behaupten, dass es nichts mit selbstsüchtigem Ehrgeiz zu tun hat, aber ich fühle, dass es
mehr
ist …»
    Eine lohfarbene Eule beantwortete den Ruf einer anderen. Eulen. Die Geister der Toten.
    Bitte, Herr, keine Omen.
    «Ich frage Gott, ob er mir nicht vielleicht … seinen Willen offenbaren kann. Damit ich weiß, was richtig ist … oder was geschehen
soll

    «Hilf mir», sagte ich.
    Ich stand auf einem flachen Stein.
    «Bess und ich … wir sind Zwillingsseelen. Wir wurden zur selben Stunde desselben Tages geboren.»
    Diese Legende hatte Dudley selbst in die Welt gesetzt. Ich wusste nicht, ob etwas Wahres daran war. Er hatte mich einmal gebeten, ein gemeinsames Horoskop für die Königin und ihn zu erstellen, aber ich drückte mich davor.
    «Wir liegen die ganze Nacht zusammen, reden und lachen. Und verbessern die Welt. Wir sprechen darüber, was wir alles tun könnten. Es ist mehr … verdammt noch mal,
es ist mehr als Liebe.
»
    «
Hilf
mir hier.» Ich griff nach unten und fand Wasser. Der Stein, auf den ich gestoßen war, lag im Wasser. «Ich brauche mehr Licht.»
    «Es ist falsch», sagte Dudley. «Ein Sakrileg.»
    «Ja.»
    Ich wusste nicht, ob er damit das meinte, was wir taten, oder das, was er gesagt hatte. Es fühlte sich alles falsch an.
    Er lag jetzt am Rand der Grube auf dem Bauch und hielt die Laterne ins Grab. Ich erkannte etwas unter dem Stein, das aussah wie eine Knochenhand. Ich schaute schnell wieder weg und begann, kleine Kanäle in die Erde zu kratzen, damit das Wasser ablaufen konnte.
    «Das reicht, komm hoch», wies mich Dudley an. «Lass mich das machen. Meine Seele ist sowieso ein hoffnungsloser Fall.»
     
    †
     
    Der Körper wurde von drei flachen Steinen bedeckt, die ihn entweder vor grabenden Tieren schützen oder als Hinweis auf seinen Lage dienen sollten, für den Fall, dass man eine zweite Leiche darüber bestatten wollte. Dudley gelang es, jeden einzeln hochzuheben und mir nach oben zu reichen.
    Darunter befand sich eine dünne Schicht Erde, unter der zerschlissene Stofffetzen sichtbar waren.
    Die Überreste ihres Leichentuches.
    Um das Loch größer zu machen, hackte Dudley mit dem Spaten auf die Ränder der Grube ein und spaltete eine große Lehmscheibe nach der anderen ab. Neben der Leiche hatte er jetzt nur wenig Platz, um sicher zu stehen. Und darum herum lief das Wasser. Grabwasser.
    Das Nichtstun war noch schlimmer. Man konnte sich nicht in Schufterei flüchten, um dort betäubendes Vergessen zu finden. Ohne Wams begann ich an Armen und Brust zu frieren, und meine Hände wurden taub vor Kälte. Das Gefühl, beobachtet zu werden, wurde immer stärker, bis es fast unerträglich war. Ich spürte, wie hinter mir Gestalten über das Knochenfeld krochen und sich aufrichteten, als sie …
    Mein Puls raste. Hinter dem milchigen Glas der Laterne flackerte das Licht.
    «Uuuuh!»
    Dudley taumelte zurück, als ob zwei Arme nach ihm greifen würden. Dann nahm auch ich den Geruch wahr.
    «Oh mein Gott …»
    «Schon gut. Ich habe Übleres gerochen im Leben, John. Der Gestank kam nur so plötzlich.»
    «Hör zu. Bitte … es ist wahrscheinlich besser, wenn ich derjenige bin, der … Ich nehme an, was wir suchen, ist sowieso längst verrottet. Wahrscheinlich verschwenden wir unsere Zeit.»
    Nach ein paar Momenten kam Dudley herausgeklettert.
    «Du hast recht.» Die Erleichterung war seiner Stimme deutlich anzuhören. «Das machst besser

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