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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Wellenlinien kennzeichneten Sumpfland. Über die Mittelseiten verlief ein gezeichneter Kreis aus Tinte, und innerhalb dieses Kreises befanden sich verschiedene Formen. Einige waren nur sehr grob dargestellt, andere besser ausgearbeitet. Es waren Symbole – ein Kreuz, eine Glocke, ein kleiner Schädel. Ein Pfeil zeigte nach Norden.
    Ich lehnte mich zurück und dachte nach. Dudley sah mich an, als erwartete er, dass ich gleich alles genau erklären und Licht in die Sache bringen würde.
    Meine Hände schmerzten, und mein Gehirn war eingefroren.
    «Hat Leland das gezeichnet?», fragte er.
    «Es sieht nach seiner Handschrift aus. Ich habe einige seiner Manuskripte in meiner Bibliothek und noch ein paar andere studiert. Als ich jünger war und Geographie und Chorographie studierte, habe ich sogar ein paar Abschriften seiner Arbeiten angefertigt. Außerdem wissen wir, dass er mit Cate Borrow zusammengearbeitet hat.»
    «Haben sie eine Karte der Umgebung erstellt? Für sein Reisetagebuch vielleicht?»
    «Das hatte er sich zur Aufgabe gemacht.»
    Ich blätterte die Aufzeichnungen erneut durch. Dann noch zweimal. Es fanden sich nur wenige Worte, und alle bezeichneten entweder Orte oder topographische Eigenheiten –
Hecke, Strom, Stein, Grenze.
    Und dann waren da auch noch diese Formen zu erkennen.
    «Es ist nicht vollständig. So als hätte man gerade erst mit der Arbeit daran begonnen. Es ist so etwas wie der Rohentwurf einer Landkarte.»
    «Warum hat Cate sich dann damit beschäftigt?»
    «Es kann sein, dass sie auch daran gearbeitet hat. Vielleicht dachte sie, er würde eines Tages zurückkehren.»
    «Und dann wurde er wahnsinnig?»
    «Er hat sich überarbeitet, sagt man. Das Ausmaß der Aufgabe, die er sich gestellt hatte, als er eine Karte von ganz England erstellen wollte, hat ihn erdrückt. Er gelobte, alle Details eines jeden Hügels, Tals und Stroms des Landes festzuhalten … alles, was es zu verzeichnen gab. Dabei muss ihm wohl die Größe dieses Vorhabens entgangen sein. Und wie begrenzt die Dauer eines Menschenlebens ist.»
    Ich hatte Verständnis für Leland. Auch ich war immer schon des Nachts aus dem Schlaf hochgeschreckt, im Wissen um die Kürze des Lebens und die Unmöglichkeit, alles zu lernen, was es zu erfahren gab. Kein Wunder, dass Leland sich genau wie ich von der Alchemie und der Astrologie angezogen gefühlt hatte, immer in der Hoffnung, die himmlischen Mächte würden uns den Weg zu einem Elixier weisen.
    «Vielleicht war er schon halb wahnsinnig, als er das hier angefertigt hat. Warum sollte er seine eigenen Karten mit solchen Kinderzeichnungen verunstalten.»
    «Bitte?»
    «Die Tiere.»
    Ich sah zu ihm hoch.
    «Willst du dich über mich lustig machen?»
    «Na ja, als was würdest
du
das hier bezeichnen? Siehst du?» Er lehnte sich vor und zog eine der Formen mit dem Finger nach. «Das ist doch ein Hund … und das ein Vogel mit gespreizten Schwanzfedern?»
    «Robbie, hol einfach nur das Bier», sagte ich.
     
    †
     
    Leland war ein getriebener Mann gewesen. Er kannte die Magie von Landkarten – riesige Land- oder Wasserflächen, die verkleinert zu Papier gebracht wurden, damit man sie betrachten konnte, als würde man aus großer Höhe auf sie herabblicken. Wie oben, so unten. Leland hatte, genau wie ich, Plato und Pythagoras studiert und darüber hinaus auch den «Dreifach Großen» Hermes aus dem alten Ägypten.
    Er war ein getriebener Mann gewesen. Ein in den Wahnsinn getriebener Mann.
    Dudley war hinausgegangen zur Schankstube. Wieder und wieder blätterte ich mich in stiller Panik durch die Seiten. Drehte die Zeichnungen hin und her, wobei ich Gefahr lief, die dünnen Seiten versehentlich an den Kerzen in Brand zu stecken.
    Ich fand eine zweite Abbildung, auf welcher der Tor markiert war. Eine Flanke des Hügels war mit dickem Tintenstrich hervorgehoben worden, wodurch sie Teil einer weit größeren Form wurde. Es war jene Form, die Dudley an einen Vogel mit gespreizten Schwanzfedern erinnert hatte. Innerhalb dieser Form waren die Umrisse der Felder mit feinem Strich gezeichnet worden.
    Wenn ich zu Hause in meiner Bibliothek gewesen wäre, mit Lelands Werken und Manuskripten, dann hätte ich das hier entschlüsseln können.
    Oder ich hätte wenigstens genug in Erfahrung gebracht, um entscheiden zu können, dass diese Aufzeichnungen unwichtig für uns waren. Dass sie nicht mehr als das bedeutungslose Gekritzel eines gebrochenen Mannes darstellten, der sich selbst die Schuld daran

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