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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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davon ausgegangen, dass sie eben fürs Bedienen und Arbeiten da sind. Plötzlich war ich neidisch auf sie. Mein ganzes Leben wurde mir immer von den Umständen diktiert, dem Streben nach Ansehen und Positionen. Ein Kloster oder ein einfaches Stück Pastete – was ist wohl mehr we–?»
    «Schhht.»
    Dudley fuhr herum. Es war niemand zu sehen, aber in dieser stillen Nacht war selbst ein Flüstern weithin hörbar.
    «Es ist eine Gnade», sagte Dudley leise.
    «Davon hättest du bald genug.»
    «Ja, natürlich würde das nicht lange gutgehen. Nur ein paar Tage in diesem Dorf, und der ganze alltägliche Kram fiele mir fürchterlich auf die Nerven. Aber für ein paar Stunden … Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass ich dieses Fieber überlebt habe.» Dudleys Zähne blitzten im Licht der Laterne auf. «Früher war ich auch neidisch auf dich … weil du frei warst, durchs Ausland gereist bist und studiert hast, weil du versucht hast, direkt an die Himmelspforte zu klopfen.»
    «Heute bin ich nur Mieter im Haus meiner Mutter. Und meine einzigen großen Aussichten sind, es irgendwann zu erben und mit Büchern zu füllen.»
    «Du darfst auf weit mehr hoffen, das weißt du. Was du mich alles gelehrt hast … nun ja, nichts
Nützliches
natürlich …»
    «Ich habe dich Mathematik gelehrt. Mit der Arithmetik kannst du ausrechnen, wie viele Morgen Land sich deine Familie über die Jahre angeeignet hat, und … Kann es sein, dass wir gerade Zeit verschwenden, um den entscheidenden Augenblick hinauszögern?»
    «Ohne Zweifel.» Er grinste und drückte mir den Spaten in die Hand. «Du bist dran.» Die Laterne hielt er vor den Erdhaufen, den wir klugerweise auf der Seite zur Stadt hin aufgeschüttet hatten, damit uns ihr Licht nicht verriet.
    Ich grub wie rasend, und meine zarten Bücherwurmhände waren schon jetzt wund. Je tiefer wir vordrangen, desto leichter ließen sich Erde und Steine beiseiteschaffen, zumindest kam es uns so vor. Als wollte man uns den Weg ebnen auf diesem Pfad der Sünde, den wir eingeschlagen hatten und auf dem wir uns in die Hölle gruben.
    «Kehren sie manchmal
wirklich
zurück? Ich meine, die Toten?», wollte Dudley vom Rand der Grube wissen.
    «Ich glaube, das kann vorkommen.»
    «Aber du hast es noch nicht selbst gesehen … mit eigenen Augen …»
    «Und du … was war in der Abtei?»
    «Das war das Fieber. Wir erschaffen uns unsere eigenen Gespenster.»
    «Und vielleicht erschaffen wir durch Magie auch die Geister, die andere Menschen sehen.» Als Wasser zu sprudeln begann, trat ich einen Schritt zurück. «Hat sonst noch jemand den Geist von Anne Boleyn im Schlafgemach der Königin gesehen? Irgendwer?»
    «Sie braucht einen Mann an ihrer Seite. Nicht einfach nur Cecil.»
    Nein, nein,
nein.
Nicht jetzt.
    Ich schaufelte kräftig und gleichmäßig weiter. Ich hatte mein Wams ausgezogen, und mein Hemd war schon ganz nass vor Schweiß. Glitschiger Schlamm war mir in die Stiefel gelaufen. Aber im Wissen um die weit gefährlicheren Abgründe, denen sich das Gespräch näherte, arbeitete ich so hart, bis ich keuchte und meine Ohren rauschten. Und ich hätte schwören können, dass man uns beobachtete, dass die Bewegungen hinter den nächtlichen Bäumen und Hecken nicht von Kaninchen, sondern von schlurfenden Männern stammten.
    Ergreift ihn.
    «Spuck’s schon aus, John. Sag, was immer du glaubst sagen zu müssen.»
    Ich hob den Spaten aus der Grube.
    «Du weißt, dass ihr keine Zukunft habt.» Ich nahm den Spaten wieder runter. «Du bist verheiratet.»
    «Noch.»
    «Bitte lass es … woran auch immer du jetzt denkst, sprich es nicht aus …
Herr im Himmel!
»
    Der Spaten war an etwas Hartem abgeglitten.
    «Es geht ihr nicht gut», sagte Dudley.
    Ich hob den Spaten wieder aus der Grube. Am liebsten hätte ich ihn in die Büsche geworfen und wäre davongerannt. Stattdessen erstarrte ich. Ein Schatten hinter der Hecke ließ mich zusammenzucken.
    «Die Leute glauben, ich verstecke sie auf dem Lande», sagte Dudley. «In Wahrheit aber geht es ihr nicht gut. Sie ist krank.»
    Er meinte Amy. Seine Frau.
    «Was fehlt ihr?»
    «Schmerzen. Schwächeanfälle.»
    «Ist es vielleicht etwas Seelisches?»
    «Ich denke nicht. Wir haben darüber gesprochen. Sie hat tatsächlich zu mir gesagt … dass sie wohl bald sterben würde. Als hätte Gott ihr das offenbart.»
    «Habt ihr einen Doktor konsultiert?»
    «Sie war bei verschiedenen. Das sind alles Scharlatane, John, die haben keine Ahnung, wie sie damit

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