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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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dort schon ein paar Stunden gelegen hat.»
    Wie lange braucht eine Kerze, bis sie herunterbrannte? Wie lang war die Kerze gewesen? Oder war nach dem Mord jemand anderes vorbeigekommen und hatte die Kerze in seinen Mund gestopft? Nur ein Verrückter würde so etwas tun … außerdem war das sowieso unmöglich, denn wenn die Totenstarre einsetzte, ließen sich die Kiefer nicht mehr bewegen.
    «Und was in Gottes Namen hast
du
da gemacht, John? Was hat dich dorthin getrieben?»
    «Ich konnte nicht schlafen.»
    «Du bist alleine dort hingegangen … weil du nicht
schlafen
konntest?»
    Als wenn er das die Nacht zuvor nicht auch selbst getan hätte. Langsam wurde ich der Lügen und Halbwahrheiten müde. Ich würde es ihm sagen, ihm alles erzählen und dabei keine Torheit auslassen.
    «Der Abt», begann ich. «Man sagt, der Abt findet keine Ruhe.»
    «Wer sagt das?»
    «Cowdray. Falls er wirklich in der Abtei umgeht … wollte ich es mit eigenen Augen sehen.»
    Dudley starrte mich an. Widerstrebend erwiderte ich seinen Blick.
    «Du meine Güte, plötzlich sieht die ganze Welt Geister. Die Königin, du … Nur ich nicht. Bitte schön! Das Geständnis eines beklagenswerten Waschlappens.»
    Von der Straße her war der heitere Klang eines Jagdhorns zu hören, dann lautes Lachen. Die Blutfährte war gelegt. Die Jagd konnte beginnen.
    «Mal sehen, ob ich das auch richtig verstanden habe», fuhr Dudley fort. «Du bist zu der Ruine gegangen, weil du den Geist des letzten Abts beschwören wolltest?»
    «Nein!
Ich bin kein Totenbeschwörer. Ich wollte vielmehr …»
    Mein Mut sank. Dudley ließ sich zurück in die Kissen fallen und starrte die Deckenbalken an.
    «Im Ernst. Kannst du dir vorstellen, wer der letzte Mensch auf Erden ist, dem ich als Geist erscheinen würde? John Dee. Weil er gleich sein Maßband entrollen und mich die ganze Zeit mit endlosen Fragen löchern würde, welcher Art das Leben nach dem Tod ist, ob ich Gott schon getroffen hätte und –»
    «Ist ja schon gut.»
    «Oder vielleicht hast du ja auch gedacht, der Geist könnte dir bequemerweise gleich von sich aus den Weg zu Artus’ Gebeinen weisen?»
    Zu nahe dran. Ich wandte mich ab und setzte mich auf den Stuhl neben dem Fenster. Dann beteuerte ich, dass ich mir wünschte, ich wäre früher in die Abtei gegangen, als Martin Lythgoe noch lebte.
    «Ich wäre …» Ich fuhr mir über das unrasierte Kinn. «Vielleicht wäre ich in der Lage gewesen –»
    «Deine meisterhaften Kampfkünste unter Beweis zu stellen? Wolltest du vielleicht mit ein paar schweren Büchern werfen, um ihn zu retten?»
    Ich schwieg. Dudley hob matt die Hand.
    «Verzeih mir, John. Ich habe gut reden, wo ich doch selbst so schwach wie eine Frühgeburt bin. Ich schwöre bei Gott, als ich heute Morgen aufgewacht bin, war ich mir ganz sicher, dass dieses ganze Abenteuer nicht mehr ist als eine List von Cecil. Um mich lange genug aus Bess’ Schlafgemach fernzuhalten, bis er sie zur Besinnung gebracht hat.»
    «Die Gerüchte aus Frankreich machen ihm Sorgen», beschwichtigte ich. «Mehr nicht.»
    «Und wer sind diese verdammten Franzosen, dass sie glauben,
uns
in Fragen der Moral belehren zu dürfen?» Dudley drehte den Kopf zur Seite. «Was sagt dieser Friedensrichter zu der ganzen Sache?»
    «Der glaubt an ein satanistisches Ritual. Aber er ist auch ein Mann, der überall Zauber und Hexerei wittert. Außerdem glaubt er, dass es hier noch immer viel böses Blut wegen Leland und seiner Liste gibt, und dem, was danach mit Glastonbury geschehen ist. Weil so viele Leben und Existenzen mit der Abtei zerstört wurden. Vielleicht hat man Angst, dass das königliche Plündern weitergehen soll.»
    «Und deswegen weidet man einen Mann aus?» Dudley fuhr erregt hoch.
    «Ich sagte nicht –»
    «Und sind
wir
als Nächstes dran? Sollten wir vielleicht besser verschwinden, solange wir noch können? Bin ich denn der Typ Mann, der vor einem verärgerten Hinterwäldler mit Schlachtermesser den Schwanz einzieht?»
    Er fiel zurück in die Kissen und hustete schwer. Ich eilte an seine Seite.
    «Die Situation hat sich verändert. Der Tod ändert alles. Vielleicht ist es an der Zeit, dich daran zu erinnern, wer du bist, Robert. Du musst nur den kleinen Finger rühren, ein Schreiben aufsetzen, und in kürzester Zeit treffen zweihundert Mann ein, die –»
    «Nein. Wir bringen das zu Ende.»
    «Gottverdammt, Robbie, du bist
Lord Dudley
, der Erbe des –»
    «Der Erbe des geballten Hasses. Ganz England hasst

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