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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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eil
    Obwohl der Halbkreis des Mondes über den Kreis der Sonne gesetzt wurde und somit vornehmer erscheinen will, wissen wir, dass der Herrscher und König die Sonne ist. Wir sehen, dass der Mond es seiner Form und Nähe nach mit der Pracht der Sonne aufnehmen will, dennoch reflektiert sein Gesicht, die Halbsphäre des Mondes, stets das Licht der Sonne. Er sehnt sich so sehr danach, von den Sonnenstrahlen befruchtet und in die Sonne selbst verwandelt zu werden, dass er manchmal vollkommen vom Himmel verschwindet und dann einige Tage später wieder auftaucht, und er wird von uns versinnbildlicht durch das Zeichen der Hörner.
    John Dee,
    Monas Hieroglyphica

XX Unsere Schwester
    V erheiratet», sagte Robert. «Sieben Kinder.»
    Durch das Fenster fiel das rosige Licht einer unwinterlichen Morgendämmerung, das dem Himmel die Farbe einer verdorbenen Milchspeise verlieh.
    «Fünf Jungen und zwei Mädchen», fuhr er fort.
    Diese Seite von sich zeigte er nur selten. Er saß auf der Kante seines Betts, das er wegen seines noch immer schlechten Zustands weiterhin hüten musste, und wurde gleichsam von der Kälte und seiner Seelenqual geschüttelt.
    «Er war schon der Stallbursche meines Vaters, als ich noch ein Kind war. Ich schwöre dir, er wäre für meinen Vater gestorben, hätte seinen Kopf für ihn auf den Richtblock gelegt, wenn es darauf angekommen wäre. Loyalität, John. Durch nichts zu erschütternde Loyalität.» Er rang heftig nach Atem, was bei seinem wunden Hals sicher schmerzte. «Zur Hölle mit Carew. Wenn ich diese Bastarde vor ihm finde, werde ich sie an Ort und Stelle niedermähen und zerhacken, bis –»
    Dann begann er zu weinen, weil er genau wusste, dass er im Augenblick nicht einmal das Gras auf einer Wiese hätte mähen können. Sein Schwert lag auf den Bodendielen. Es steckte halb in der Scheide, als fehlte Robert die Kraft, es ganz zu ziehen.
    Ich stand am Fenster und blickte auf die Hauptstraße hinunter, wo sich Frauen zusammendrängten, um zu beobachten, wie einige Männer beim Tor der Abtei absattelten: Fyches Konstabler aus Wells. Man hatte Martins Leichnam, mit seinen Organen und Gedärmen auf dem Schoß, in eines der Nebengebäude der Abtei gebracht, damit Carew ihn sich dort ansehen konnte, sobald er aus Exeter eintraf.
    Ich drehte mich um.
    Geständnis.
    «Ich habe ihn fortgeschickt», begann ich. «Gestern. Er war mir gefolgt.»
    «Ja. Wie ein treuer Hund.»
    Dudley schluchzte so heftig, dass seine Schultern wild zuckten. Der Mord an Martin Lythgoe, die Hinrichtung seines Vaters und all die anderen ungerechten Exekutionen, die er in den letzten sechs Jahren hatte mit ansehen müssen, sie alle überwältigten ihn nun, da er vom Fieber geschwächt war.
    Schließlich sah er mit von Tränen feuchten Augen, doch ohne Scham zu mir hoch.
    «Lythgoe brauchte immer jemanden, auf den er aufpassen konnte. Nachdem mein Vater nicht mehr war, trat ich an seine Stelle. Als ich krank ans Bett gefesselt war, machte sich der arme Kerl auf, um dich zu beschützen.»
    «Und ich habe ihn fortgeschickt.»
    Meine Fingernägel bohrten sich in meine Handballen.
    «Herrgott, John, wie hättest du das denn ahnen sollen?»
    Das konnte ich natürlich nicht, aber das spielte auch keine Rolle. Es waren die Umstände. Ich hatte diesen Mann in einen abscheulichen und entwürdigenden Tod laufen lassen, weil …
    … weil Eleanor Borrow mich seltsam fasziniert hatte. Und wisst Ihr, was das Schlimmste daran war? Dass Dudley, der Frauenheld, auch noch Verständnis dafür gehabt hätte.
    «Wohin hast du ihn geschickt, John?»
    «Zurück zu dir. Damit jemand dafür sorgt, dass du genügend Wasser trinkst.»
    Ich weiß. Ich
weiß
. Aber wenn ich ihm erzählt hätte, dass ich Martin Lythgoe aufgetragen hatte, nach dem Hufschmied zu suchen, hätte Dudley sich so lange wie ein Aussätziger durch die Straßen geschleppt, bis er ihn höchstpersönlich aufgespürt hatte.
    «Ich kann mich nicht daran erinnern», stöhnte Dudley und presste die Hände gegen den Kopf. «Wie er zurückgekommen ist. Es muss das letzte Mal gewesen sein, dass ich ihn sah,
und ich kann mich nicht daran erinnern.
»
    «Du hast geschlafen. Und das solltest du jetzt auch tun.»
    «Ich kann nicht einmal …» Er schlug die Hände vors Gesicht. «Kann nicht einmal mehr klar denken. Was … Ich meine, was um Himmels willen hatte Lythgoe mitten in der Nacht in der Abtei zu suchen?»
    «Es muss nicht mitten in der Nacht geschehen sein. Es ist möglich, dass er

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