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Die Gebeine von Zora

Die Gebeine von Zora

Titel: Die Gebeine von Zora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyon Sprague de Camp
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Sängerin nahm ihren Platz ein. Reith war froh, wenigstens für eine Weile der inquisitorischen Belagerung der Handelsministerin entronnen zu sein, die mindestens genauso gefräßig nach Informationen war wie ein Yeki nach Fleisch. Schwitzend griff er seinen Silberkelch, um einen Schluck Kvad zu nehmen.
    Die Höhe des Flüssigkeitspegels in seinem Kelch ließ ihn stutzend innehalten. Er war sicher, dass er mindestens anderthalb, höchstens aber zwei Becher getrunken hatte; aber sein Kelch schien stets gleich voll zu sein, wie viel er trank. Er beschloss, wachsam zu sein. Gleichzeitig bemerkte er vage, dass die Tänzerin in den Saal zurückgekommen war und hinter ihm herumturnte.
    Als die Sängerin ihren Vortrag beendet hatte, kam ein Lakai herein und flüsterte Parenj etwas ins Ohr. Der Oppositionsführer erhob sich, verneigte sich vor Vizman, bat die anderen Gäste um Entschuldigung und folgte dem Diener zur Tür hinaus. Durch die geschlossene Tür drangen gedämpft die Geräusche eines Handgemenges und ein Schrei des Protestes. Dann kehrte Stille ein.
    »Es ist bedauerlich«, sagte Vizman nach einem kurzen Moment allgemeinen betretenen Schweigens, »dass Parenj mich ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, da terranische Gäste bei uns zu Gast weilen, dazu zwingt, seine Verhaftung zu veranlassen. Ich erhielt heute unumstößliche Beweise dafür, dass er einen Aufstand geplant und Vorkehrungen für meine Ermordung in die Wege geleitet hat.« Der Präsident schüttelte traurig den Kopf. »Er ist schon der vierte Oppositionsführer, dessen ich mich gezwungenermaßen entledigen musste. Seine Oppositionsgruppe war die letzte.« Reith rieb sich die Augen und versuchte krampfhaft, sich zu erinnern, wie viel er getrunken haben mochte. Die drückende Hitze hatte ihn dazu verführt, ständig und ohne, dass es ihm recht bewusst gewesen war, an seinem Kelch zu nippen. Obwohl ihm der Schädel brummte und die Wände des Saals zu verschwimmen begannen, schaffte er es zu fragen: »Eure Exzellenz, seid Ihr … habt Ihr … bedeutet das, dass Qirib zu einem Einparteienstaat wird?«
    »Ganz recht. Ich fürchte, mein Volk ist noch nicht bereit für eine Regierung nach dem Muster eurer terranischen parlamentarischen Systeme. Hier bei uns besteht der Zweck der Politik darin, sich selbst zu verherrlichen, seine Freunde zu bereichern und seine Feinde auszuschalten. Mein Bestreben war, den Qiribuma eine liberale Herrschaftsform zu geben, aber ich war immer wieder dazu gezwungen, mich und meine Partei vor subversiven Intrigen und Mordverschwörungen zu schützen.
    Wir wollen uns indes den Abend nicht mit Diskussionen über das schnöde Geschäft der Politik verderben. Einer unserer Poeten, der berühmte Sarhad er-Sandu, wird nun aus seinem Werk lesen.«
    Der Poet, ein dürrer, gebeugter, bebrillter Krishnaner, entrollte ein Manuskript und verkündete mit hoher, zittriger Fistelstimme:
    »Als erstes möchte ich ein Werk von mir vortragen. Es trägt den Titel Der Fall Malayers und erzählt die Geschichte dieses tragischen Ereignisses, welches alle die hier Versammelten noch in frischer Erinnerung haben werden.
     
    Der König der Nomaden saß auf seines feur’gen Ayas Rücken Und starrt’ hinab von des Berges luft’ger Höh’
    Auf Suriens fette Weiden und schwor mit grimmen Blicken:
    ›Noch eh’ das Jahr vorüber ist, wird es ein Festmahl geben
    Und an des güld’nen Kelches Statt will ich zum Trunk
    Des Dours von Surien kvad-gefüllten Totenschädel erheben …‹ «
     
    Obwohl Reith die langatmige, weitschweifige Redeweise der Krishnaner oft auf die Nerven ging, möchte er doch ihre Poesie. Sie hatte einen feinen, schwingenden Rhythmus; darüber hinaus hatte sie Form, Reim und Metrum – Eigenschaften, die die moderne terranische Lyrik der letzten Jahrhunderte zumeist vermissen ließ.
    Es fiel ihm indes schwer, dem Vortrag seine volle Aufmerksamkeit zu schenken, weil auf der anderen Seite des Tisches Alicia und Vizman fortwährend miteinander tuschelten. Und neben ihm löcherte die Handelsministerin Marot mit Fragen über seine Sicht der krishnanischen Evolution. Jedes Mal, wenn der Paläontologe zu einer wohlformulierten Antwort ansetzte, schwallte ihm die Frau Ministerin mit einem Kommentar oder einer neuen Frage dazwischen. Sie war nicht die Art von Frau, die wegen eines künstlerischen Vortrags auch nur für fünf Minuten den Mund hielt.
    Als Sarhad das Gedicht beendet hatte, kündigte er an: »Und nun lese ich aus dem berühmten Epos

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