Die Gebeine von Zora
blauen Augen wurden groß und rund. »Du … du weißt also Bescheid?«
»Was weiß ich?«
»Dass ich,… weißt du … der Präsident … oh, Fergus! Ich wollte dir nicht wehtun, aber ich musste es tun, obwohl es mir gegen den Strich ging …«
»Willst du damit sagen, dass er dich gegen deinen Willen genommen hat?«
»N-nein, nein, nicht so, wie du meinst. Aber er hat mir ein Angebot gemacht, das ich nicht ausschlagen konnte.«
»Was war das für ein Angebot? Gold? Juwelen? Den Posten der First Lady?«
»Nein, nein! Etwas von großem sozialen Wert. Ich erkläre es dir nach dem Frühstück. Er erwartet uns im Salon, sobald wir Aristide aus den Federn kriegen …«
»Bestell dem Herrn Präsidenten, ich ließe mich entschuldigen; ich geh zurück aufs Schiff.«
»Aber Fergus, das kannst du doch nicht tun! Das wäre ein Affront …«
»Ich geh besser sofort, ehe ich mich vergesse und den Kerl umbringe. Auf Wiedersehen!«
Reith stapfte in sein Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Er raffte seine Toilettensachen zusammen und marschierte hinaus. Alicia war verschwunden, aber aus Marots Zimmer drangen Stimmen. Einen Moment lang war Reith versucht zu lauschen, aber dann machte er entschlossen kehrt und marschierte aus dem Präsidentenpalast. Auf dem Weg zum Eingangstor machte er kurz Halt an der Garderobe und angelte sich sein Schwert vom Haken. Der Garderobenwärter, der tief und fest auf seinem Stuhl schlummerte, bemerkte ihn gar nicht.
Die Schauerleute waren mit dem Beladen der Kubitar fast fertig, als zwei Sänften auf der Mole auftauchten. Marot und Alicia stiegen aus, entlohnten ihre Träger und gingen zum Schiff. Als sie an Bord kamen, bedachte Reith sie nur mit einem kurzen gleichgültigen Blick und wandte seine Aufmerksamkeit gleich wieder dem muskelgetriebenen Kran zu, der am Ende der Mole operierte.
Wenig später wurde das Schiff aus dem Hafenbecken geschleppt, und die gestreiften Segel füllten sich mit Wind. Reith, der an der Reling stand, vernahm eine leise Stimme hinter sich: »Fergus, ich muss mit dir reden.«
»Schieß los, Doktor Dyckman.«
»Sehr wohl, Mister Reith. Ich tat das, was ich getan habe, nicht aus einer Laune heraus oder weil ich mich etwa plötzlich in Vizman verliebt hätte. Er ist ohnehin auf dem besten Wege, sich in einen ganz gewöhnlichen Diktator nach altbekanntem Muster zu verwandeln. Als ich ihn kennen lernte, war er voller Ideale; aber mir scheint, die Macht hat ihn korrumpiert.«
»Der Satz hat für einen Terraner einen traurig-vertrauten Klang. Aber erzähl weiter.«
»Und aus Spaß hab ich es erst recht nicht getan. Es bringt mir nämlich nichts, wenn ich es mit einem Krishnaner treibe. Sie sind schon fertig, ehe du richtig merkst, dass sie überhaupt angefangen haben. Andere Terranerinnen haben die gleiche Erfahrung gemacht.«
»Wenn du Vizman nicht aus den genannten Gründen gebumst hast, warum dann?«
»Ich hab dir doch davon erzählt, wie ich ihm den Standpunkt der Terraner zur Sklaverei dargelegt habe. Er hat daraufhin eine Proklamation zur Freilassung aller Sklaven ausarbeiten lassen und wollte nur noch einen günstigen Zeitpunkt abwarten, an dem er sie in Kraft treten lassen wollte. Nun, und gestern schlug er mir dann vor, wenn ich mit ihm schlafen würde, würde er sie heute rausgeben, ungeachtet des damit verbundenen politischen Risikos. Er möchte mich noch immer heiraten. Aber als ich ihm klarmachte, dass das völlig ausgeschlossen ist, gab er sich mit der einen Nacht zufrieden.
Wir hatten uns ausgerechnet, dass du nach all dem Kvad, den Shei in dich hineinschüttete, mindestens bis zum Mittag schlafen würdest – auf jeden Fall aber so lange, dass ich längst wieder auf meinem Zimmer wäre, wenn du aufwachen würdest. Und dann sollte Shei dich noch eine Weile hinhalten. Hat es dir Spaß mit ihr gemacht?«
»Ich habe überhaupt nichts mit ihr gemacht. Als ich wach wurde, habe ich sie rausgeworfen. Ich wollte dir treu sein – falls du weißt, was Treue bedeutet. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass da irgendwas faul war, und dem wollte ich auf den Grund gehen.«
Sie seufzte. »Der gute Fergus Reith – immer nüchtern und rational. Wenn du dich mit ihr vergnügt hättest, dann hättest du das mit mir und Vizman nie erfahren, und selbst wenn du es rausgekriegt hättest, hättest du mir wenigstens keine Vorhaltungen machen können. Nun, somit ist meine kleine Intrige wohl voll in die Hose gegangen. Aber war es denn so was Schreckliches, was
Weitere Kostenlose Bücher