Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gebeine von Zora

Die Gebeine von Zora

Titel: Die Gebeine von Zora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyon Sprague de Camp
Vom Netzwerk:
Abbeq und Danqi vor.« Er lächelte verschmitzt. »Habt keine Angst, verehrte Anwesende; ich habe nicht vor, die gesamten zweihundertvierundsechzig Gesänge vorzutragen. Ein einziger Gesang dürfte, so dünkt mich, genügen. Hier nun der einundvierzigste …«
    Der Poet begann, mit feierlich-pathetischer Fistelstimme aus dem gewaltigen Versepos, zu rezitieren. Jetzt hatte Reith noch größere Mühe zu folgen, da die Sprache des Epos eine archaische Form des Gozashtandou war, gespickt mit veralteten Wörtern und Wendungen. Er hatte einst, während seines Gefängnisaufenthaltes in Dur, versucht, es selbst zu lesen, war aber über einige wenige Gesänge nicht hinausgekommen.
    Zusätzlich gestört in seiner Konzentration von dem durchdringenden Organ der Handelsministerin, gab er schließlich entnervt auf. Erst jetzt bemerkte er, dass die Tänzerin auf dem Stuhl Platz genommen hatte, den zuvor der unglückselige Parenj eingenommen hatte. Das Mädchen beugte sich mit verführerischem Lächeln und kokett in Pose gewölbten Brüsten zu ihm herüber.
    »Ihr Terraner erscheint mir wie göttliche Wesen!« hauchte es. »Solange ich lebe, höre ich von eurer Macht und eurer Weisheit. Ach, wie unendlich gern würde ich einen von euch einmal intim kennen lernen, anstatt nur immer Salti und Räder zu eurer Erbauung vor euch zu schlagen. Auch ich bin nicht nur bloß Tänzerin, sondern auch empfindsames, fühlendes Weib. Ich atme! Ich liebe! Ich verzehre mich!«
    Sie schaute auf Reiths Kelch. »Einen Augenblick, edler Herr!« Sie glitt von ihrem Stuhl, schwebte graziös um Reith herum und tauchte mit einer Flasche in der Hand wieder auf. Sie schenkte Reiths Kelch bis zum Rand voll.
    Reith schlürfte vorsichtig etwas ab, um nichts zu verschütten, und beobachtete sie dabei aus dem Augenwinkel, wie sie mit geschmeidigem Schwung wieder auf ihrem Stuhl Platz nahm. »Ich habe keinen Zweifel an Eurer Weiblichkeit«, sagte er trocken. »Aber verratet mir eins, Madame … wie … eh … wie war doch gleich Euer Name?«
    »Shei, mein Herr.«
    »Nun, Ss-Sh-Shei, verratet mir eins: Habt Ihr jedes Mal heimlich meinen Kelch voll geschenkt, wenn ich nicht hingeschaut habe?«
    Sie ließ ein vergnügtes Lachen erschallen. »Mein Herr, Ihr müsst Augen in Eurem Hinterkopf haben! Mir ward aufgetragen, dafür zu sorgen, dass es Euch niemals an Erfrischung mangele.«
    »Wie viel habt Ihr mir heute Abend nachgeschenkt?«
    »Wie soll ich das wissen? Hin und wieder einen Tropfen. Doch wartet; Ihr habt eine Flasche geleert und seid etwa bei der Hälfte Eurer zweiten.«
    »Großer Qondyor!« ächzte Reith. Das entsprach einem halben Liter terranischen Whiskys. Kein Wunder …
    »Ist Euch unwohl, Herr?« fragte Shei besorgt.
    »Ja, ein wenig. Ich muss mich zu- zurückziehen. B-bitte entschuldigt mich beim Herrn Präsidenten!«
    Der Poet hatte inzwischen seinen Vortrag beendet und den Saal wieder verlassen. Reith vermutete, dass der arme Kerl seine Rezitation vorzeitig abgebrochen hatte, als er merkte, dass niemand mehr ihm zuhörte. Shei huschte um den Tisch herum und flüsterte Vizman etwas ins Ohr. Als der Präsident nickte und seine Unterhaltung mit Alicia wieder aufnahm, kam das Mädchen zurückgeeilt und half Reith, sich von seinem Stuhl zu erheben. Mit weichen Knien, den Arm auf die Schulter des Mädchens gestützt, wankte er hinaus. Wie Alicia, war die Tänzerin stärker, als sie aussah.
    Vizman hatte den Terranern drei separate Schlafzimmer zugeteilt. Ursprünglich hatte Reith die Absicht gehabt, sich in Alicias Schlafzimmer zu schleichen, sobald Ruhe im Palast eingekehrt war. Statt dessen taumelte er nun sturztrunken in sein Schlafzimmer, kaum noch in der Lage, sich auf den Beinen zu halten. Am liebsten hätte er sich in voller Kleidung aufs Bett geworfen und seinen Rausch ausgeschlafen; aber er hatte Angst, sich zu übergeben und das ganze Zimmer zu verschmutzen. Er klammerte sich an einen Bettpfosten und ließ sich schwerfällig in eine sitzende Stellung auf dem Bett sinken. Während er dasaß und benommen vor sich hin glotzte, machte Shei sich an den Knöpfen und Schnallen seiner Kleidung zu schaffen.
    »Legt Euch hin, Herr!« drängte sie ihn fürsorglich. »Ihr werdet Euch gleich besser fühlen.«
    Reith ließ sich auf das Bett sinken, und Shei begann ihn auszuziehen. Er lag kaum flach, da begann das Bett sich mit beängstigender Geschwindigkeit um ihn herum zu drehen, wie ein kleines Flugzeug, das außer Kontrolle geraten war. Er überlegte

Weitere Kostenlose Bücher