Die Gebrüder Kip
das umsomehr unter Berücksichtigung der Verhältnisse, worunter sich das Schiff befunden hatte. Unter zehn bis fünfzehn Jahren Bagno könnte Flig Balt nicht wegkommen.
Die Hauptzeugen, Hawkins, Nat Gibson, Karl und Pieter Kip, sowie die Matrosen Burnes, Wickley und Hobbes nebst dem Schiffsjungen Jim, waren schon in der Voruntersuchung vernommen worden. Die von dem Angeschuldigten genannten anderen, Vin Mod, Sexton, Kyle, Bryce und der Koch Koa, sollten als Entlastungszeugen abgehört werden.
Ohne unvorhergesehene Zwischenfälle sollte die schnell erledigte Angelegenheit nur eine einzige Sitzung in Anspruch nehmen.
Der Gerichtssaal war am Verhandlungstage von Zuhörern überfüllt. Von neun Uhr vormittags ab drängte sich die Menge nach dem ihr überlassenen Raume, Kaufleute, Reeder, Offiziere der Handelsflotte und Journalisten bunt durcheinander, daneben aber auch viele Matrosen, die aus den benachbarten Schenken kamen und wahrscheinlich mehr zu Gunsten der Angeklagten gestimmt waren.
Hawkins und Nat Gibson erschienen vor der Zuhörermenge und nahmen auf der für die Zeugen bestimmten Bank Platz.
Wenige Minuten nach ihnen betraten die Gebrüder Kip den Saal und wechselten mit den beiden ersten einen warmen Händedruck.
Am heutigen Tage war die Anwesenheit Karl Kips an Bord des »Skydnam« nicht nötig. Die Verladung des Getreides war am Abende vorher beendigt worden. Von Reparaturen waren nur noch einige Anstricharbeiten zu vollenden. Die Bunker lagen voller Kohlen; die Maschine war im Stande, die Mannschaft hatte ihren Dienst angetreten. Nach drei Tagen sollte der Dampfer am frühen Morgen zur Abfahrt klar machen.
Am heutigen Abend gedachten die Gebrüder Kip noch den Gasthof zum Great Old Man zu verlassen und ihre Kabinen auf dem Schiffe zu beziehen.
Auf einer Bank hinter ihnen saßen die Matrosen Hobbes, Wickley und Burnes nebst dem Schiffsjungen Jim, die von Hawkins und Nat Gibson alle freundlich begrüßt wurden.
Auf einer anderen Bank befanden sich Vin Mod, Sexton, Bryce mit dem Koche Koa, dessen breites schwarzes Gesicht sich grinsend verzog, jedenfalls vor Verwunderung, daß er nicht mit zu den Angeklagten gehörte.
Nur Kyle fehlte. Kyle war noch nicht freigelassen und das erfolgte voraussichtlich auch nicht vor Ablauf von achtundvierzig Stunden… er hatte seine Rolle als Schwerbetrunkener gar zu gut gespielt, als er sich gegen die Polizisten verteidigte.
Seine etwaigen Aussagen konnten auch nicht von besonderer Bedeutung sein. Vin Mod beunruhigte sich nur ein wenig darüber, ob Kyle im Gefängnisse mit Flig Balt zusammengetroffen sein und diesem gesagt haben werde, was er ihm aufgetragen hatte. Diese Unruhe zerstreute sich jedoch vielleicht, wenn der Bootsmann und er sich erst gegenüberstanden. War Flig Balt benachrichtigt worden, so genügte ein unauffälliges Zeichen, schon ein Blick, das zu bestätigen, und wenn der rechte Augenblick gekommen war, würde Flig Balt aus einem Angeklagten zum Ankläger werden.
In Erwartung des Eintritts der Gerichtsbeisitzer sprach Hawkins noch mit den Gebrüdern Kip und meldete ihnen, daß an diesem Morgen Nachrichten von Neuirland eingegangen wären.
»Ein Brief von Herrn Zieger? fragte Pieter Kip.
– Nein, eine Depesche, die mir mein Korrespondent Herr Balfour geschickt hat. Sie meldet, daß in Wellington gestern ein von Kerawara kommendes Schiff eingelaufen sei, das den Bismarck-Archipel zehn Tage nach dem ›James-Cook‹ verlassen und einen Brief von Herrn Zieger mitgebracht hätte. Balfour hat mir dessen Inhalt sofort telegraphiert, und diese Depesche hab’ ich heute früh erhalten.
– Und was sagt Herr Zieger bezüglich der Nachforschung nach den Tätern? fragte Karl Kip.
– Nichts, antwortete Nat Gibson, gar nichts. Die Mörder sind auch bis jetzt noch nicht entdeckt.
– Das ist leider nur zu wahr, setzte Hawkins hinzu. Die Herren Zieger und Hamburg haben sich unablässig darum bemüht, ohne einen Erfolg zu erzielen.
– Sie haben auch keine einzige Spur gefunden, die es ermöglichte, die Nachforschungen mit einiger Aussicht fortzusetzen? sagte Pieter Kip.
– Nein, erwiderte Hawkins, man hat bisher auf niemand Verdacht. Allem Anscheine nach ist das Verbrechen von Eingebornen begangen worden, die Zeit genug fanden, nach der Insel York zu flüchten, wo es natürlich sehr schwer werden würde, sie herauszufinden.
– Immerhin braucht Herr Gibson noch nicht alle Hoffnung aufzugeben, erklärte Karl Kip. Die gestohlenen Papiere könnten ja
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