Die Gebrüder Kip
wenigen Worte brachte er mit so klarer, ruhiger Stimme hervor, daß es die Verwunderung der Zuhörer erregte.
»Sie haben zu Ihrer Verteidigung nichts hinzuzufügen? fragte der Vorsitzende nochmals.
– Nicht ein Wort,« erklärte Flig Balt, der sich wieder setzte, da er sein Verhör für beendet ansah.
Vin Mod sah ihn scharf, doch mit einiger Besorgnis an.
Hatte Flig Balt nicht den rechten Augenblick verpaßt, alles zu sagen? Und hatte er, Vin Mod, sich doch nicht vielleicht über das Zeichen getäuscht, das der Bootsmann ihm gemacht hatte? Sollte dieser die kurze Mitteilung Kyles etwa nicht verstanden oder vielleicht überhaupt nicht erhalten haben?
Immerhin, das sollte nichts ausmachen. Wenn Flig Balt nicht sprach, würde Vin Mod sprechen, sobald er zu seiner Aussage aufgerufen wurde.
Auf die an ihn gerichteten Fragen gab Len Cannon nur ausweichende Antworten, wobei er sich stellte, als ob er den Vorsitzenden nicht recht verstände, und jedenfalls hatte Flig Balt ihm empfohlen, so wenig nie möglich zu sprechen.
Vin Mod kam daher auf den Gedanken, dem Bootsmanne passe es, daß die Verhandlung erst weiter fortschreite, und daß die Zeugenaussagen, darunter vorzüglich die Karl Kips, zu Protokoll genommen worden seien. Wegen der Anschuldigung, die er gegen die Brüder erheben wollte, erschien es besser, daß diese sich vorher dem Gerichte gegenüber ausgesprochen hätten.
»Ja ja, sagte sich Vin Mod, der Flig Balt hat recht, er wird schon im geeigneten Augenblick gegen sie auftreten!«
Nach Beendigung des Verhörs mit dem Hauptangeklagten und seinem Mitschuldigen, wurde der erste Zeuge zu seiner Aussage aufgerufen.
Das war Karl Kip, und als er sich erhob, ging ein leises Flüstern durch die Reihen der Zuhörerschaft.
Karl Kip gab zuerst seinen Familiennamen nebst Vornamen und seine Nationalität zu Protokoll: ein Holländer aus Groningen gebürtig; Stand: Offizier in der Handelsflotte, nachdem er wenige Wochen an Bord des »James-Cook« als Kapitän tätig gewesen war, Obersteuermann auf dem nach Hamburg bestimmten Dampfer »Skydnam«.
Nach Erledigung dieser Vorfragen drückte sich Karl Kip mit solchen Worten und einer so erkennbaren Aufrichtigkeit über alles weitere aus, daß an seinem guten Glauben kein Zweifel aufkommen konnte.
»Mein Bruder und ich, sagte er, waren vorher Passagiere der ›Wilhelmina‹ wir sind von der Insel Norfolk gerettet worden, wohin wir uns nach erlittenem Schiffbruche geflüchtet hatten, und zwar gerettet durch Herrn Hawkins und den Kapitän Gibson. Ich kann auch an dieser Stelle nicht unterlassen, den edelmütigen und menschenfreundlichen Herren, die so viel für uns getan haben, den wärmsten und aufrichtigsten Dank auszusprechen.
»Während der Fahrt des ›James-Cook‹ von Norfolk nach Port-Praslin habe ich vielfach Gelegenheit gehabt, das Verhalten des Bootsmannes zu beobachten. Er flößte mir von Anfang an ein Mißtrauen ein, das sich später nur allzu gerechtfertigt erwies, und es wunderte mich, daß der Reeder und der Kapitän noch eine so gute Meinung von ihm hatten. Da mich das aber nichts anging, habe ich in dieser Beziehung still geschwiegen. Daneben gewann ich jedoch auch die Überzeugung, daß Flig Balt seinen Obliegenheiten sehr wenig gewachsen war. Überließ der Kapitän Gibson ihm zuweilen Manöver, wie solche gewöhnlich Sache des Bootsmannes sind, so wurden diese so schlecht angeordnet, daß ich mich fast zum Eingreifen versucht fühlte. Da sie aber die Sicherheit des Schiffes nicht weiter in Gefahr brachten, enthielt ich mich, mit dem Kapitän darüber zu sprechen.
»Am 20. November ankerte der ›James-Cook‹ in Port-Praslin, um seine Fracht zu löschen und einige Reparaturen zu erfahren. Sein Aufenthalt dauerte neun Tage, dann segelte er nach Kerawara, der Hauptstadt des Bismarck-Archipels ab.
»Dort war es, wo der unglückliche Kapitän Gibson am Abend des 2. Dezembers unter den Streichen bisher noch unentdeckter Mörder erlag…«
Karl Kip äußerte diese Worte mit so schmerzlichem Ausdrucke, daß sich der Zuhörerschaft eine deutliche Erregung bemächtigte.
Gleichzeitig erhob sich Flig Balt, der dem Berichte gesenkten Kopfes gelauscht hatte, von der Bank, als ob auch er sich gar nicht zu fassen vermöchte.
Der Vorsitzende fragte ihn, ob er dem Gerichte etwas mitzuteilen hätte.
»Nein… nichts!« antwortete der Bootsmann.
Damit setzte er sich wieder nach einem flüchtigen, auf Vin Mod gerichteten Blick, der, sehr mutlos erscheinend,
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