Die Gebrüder Kip
von unruhigen Bewegungen unterbrochen, zusammenhanglose Worte fallen, die zu verstehen gewiß sehr interessant gewesen wäre.
Wer konnte wissen, was er erwartete, als der Schurke wiederholt am Tore des Gefängnisses vorbeistrich? Suchte er vielleicht gar in das Haus zu gelangen, um sich mit Flig Balt ins Einvernehmen zu setzen?… Nein, das konnte er nicht erwarten, denn es würde ihm unmöglich sein, durch das Tor einzudringen.
Vielleicht hoffte er aber, den Bootsmann an einem hochgelegenen Fenster des Gebäudes zu erblicken, dessen oberstes Stockwerk die Umfassungsmauer überragte. Das war jedoch auch unwahrscheinlich, mindestens wenn Flig Balt, dem dann bekannt sein mußte, daß die Verhandlung am nächsten Tage bevorstand, nicht auf den Gedanken kam, daß Vin Mod versuchen könnte, ihm auf irgendwelche Weise wichtige Mitteilungen zu machen. Darüber konnte ja zwischen beiden schon vorher eine Verabredung getroffen worden sein.
Unter den gegebenen Umständen, wo der eine draußen, der andere drinnen war, hätte sich der Verkehr zwischen den beiden Männern freilich auf einzelne Zeichen beschränken müssen, und da blieb es doch fraglich, ob eine Bewegung des Kopfes, eine Geste mit der Hand auch richtig verstanden würde.
Wie dem auch sein mochte, jedenfalls blieb Flig Balt von Vin Mod und dieser von Flig Balt unbemerkt. Nach einem letzten, zu dem hohen Gebäude emporgeworfenen Blicke schlich denn Vin Mod auch im Halbdunkel nach seinem Gasthofe zurück.
»Ja ja, murmelte er, immer tief in Gedanken versunken, das ist der einzige Weg, ihm Nachricht zukommen zu lassen, und wenn der nicht gangbar wäre… Doch gleichviel… ich trete ja als Zeuge auf… ich werde sprechen… und was Flig Balt vielleicht nicht sagt, das sage ich… ja… das werde ich sagen und die Gebrüder Kip werden es empfinden!«
An diesem Abend begab sich Vin Mod nicht nach der Spelunke, den Fresh-Fishs, sondern nach dem Gasthofe zum Great Old Man.
Es war jetzt gegen sieben Uhr. Schon seit Mittag rieselte ein seiner, durchdringender Regen nieder. Die Straßen lagen in tiefer Finsternis, die nur da und dort von dem begrenzten Scheine einer Gaslaterne unterbrochen wurde.
Unbemerkt gelangte Vin Mod nach dem Gange, der zu seinem, eine Treppe hoch gelegenen Zimmer führte. Auf dem Balkon angelangt, lugte er durch das Zimmerfenster der Holländer, dessen Jalousien nicht geschlossen waren.
Da er keinerlei Geräusch aus dem Innern vernahm, schloß er mit Recht, daß das Zimmer augenblicklich leer sei.
Gerade an diesem Abend befanden sich Karl und Pieter Kip zum Abendessen bei Herrn Hawkins und kehrten voraussichtlich vor zehn oder elf Uhr nicht in ihr Zimmer zurück.
Vin Mod sah sich also durch den günstigsten Zufall unterstützt, und es konnte ihm weder an Zeit fehlen, sein Vorhaben auszuführen, noch lief er Gefahr, dabei überrascht zu werden.
Er begab sich jetzt zunächst nach seinem eigenen Zimmer, öffnete hier einen Schrank und entnahm diesem verschiedene Papiere, denen er noch eine gewisse Menge Piaster beilegte, und dazu auch den Kriß, womit Flig Balt den Kapitän ermordet hatte.
Wenige Augenblicke später schüpfte Vin Mod in die Wohnung der beiden Brüder, wozu er nicht einmal gezwungen gewesen war, eine Scheibe einzudrücken, da ein Flügel des Fensters nur angelehnt war.
Die Einrichtung dieses Zimmers kannte er ja ganz genau, hatte er doch oft genug hineingeblickt, wenn er sich bemühte, die Gespräche zwischen Karl und Pieter Kip zu belauschen. Er brauchte nicht einmal Licht anzuzünden, was ihn doch hätte verraten können. Er wußte ja, wie die Möbel standen und wo auf einem Schemel der Reisesack lag, der noch von der »Wilhelmina« geborgen worden war.
Von diesem Mantelsack brauchte er nur die Verschlußriemen zu lösen. Die darin enthaltenen Wäschestücke hoch hebend, steckte er die Papiere, die Piaster und den Dolch darunter und schloß den Sack wieder zu.
»Das wäre geschehen!« murmelte er befriedigt.
Dann stieg er durch das Fenster hinaus, lehnte dessen Flügel wieder an und zog sich über den Balkon hin nach seinem Zimmer zurück.
Nach ganz kurzem Aufenthalte darin schritt Vin Mod jedoch der Treppe zu, trat auf die Straße hinaus und begab sich nach dem Gasthofe zu den Fresh-Fishs, wo ihn Sexton, Kyle und Bryce hatten erwarten sollen.
Es schlug eben halb acht, als er in das gemeinschaftliche Gastzimmer eintrat, wo er seine Genossen fleißig trinkend vorfand.
Sexton und Bryce hatten schon so manche Gläser
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