Die Gebrüder Kip
die Entdeckung der Flüchtlinge. Das augenblicklich noch ziemlich hohe Meer überflutete den Strand bis zum Fuße des Steilufers und seine äußersten Wellen rollten bis zum Eingange der Höhle. Diesen selbst konnte nur sehen, wer um die Felsmasse herumging. Von der Saint-Jamesspitze selbst lagen die äußersten Blöcke noch unter dem Schaum der Wellen. Die Ebbeströmung mußte wenigstens noch zwei Stunden abgewartet werden, ehe der Strand wieder gangbar wurde. Es war aber unwahrscheinlich, daß die Verfolger hier so lange verweilen würden, statt sich einer mehr Erfolg versprechenden Fährte zuzuwenden.
Die Hunde bellten inzwischen noch lauter, ihr Instinkt trieb sie offenbar längs der Uferwand hin. Einer davon stürzte sich in den Strudel der Wellen, doch folgte keiner der anderen seinem Beispiele.
Eben jetzt gab auch der Oberaufseher Befehl, den nach unten führenden Weg wieder herauf zu kommen, und bald verminderte sich der Lärm, das Gebell wurde schwächer und die Stimme der Verfolger unverständlich. Nur das Meer schlug noch laut gurgelnd an die felsige Uferwand an.
Dreizehntes Kapitel.
Gerettet!
Die Gefahr war einstweilen vermindert, beseitigt aber nicht. Nach der Durchsuchung des Waldes wurde die der Küste jedenfalls wieder aufgenommen.
Es sei hier nochmals darauf hingewiesen, daß Entweichungen aus Port-Arthur immer nur gelungen waren, wenn sie auf dem Wasserwege ausgeführt werden konnten. Entweder hatten sich die Sträflinge dazu eines Bootes bemächtigen können oder selbst ein solches notdürftig zusammengezimmert, wenn es nur ausreichte, sie nach einer anderen Stelle der Storm-Bai zu tragen. Jeder Versuch, über die Landenge hinweg zu entkommen, mußte von vornherein als verfehlt gelten. So wurden denn auch alle Flüchtlinge, die sich in den Wäldern verborgen hielten, stets – wenn auch zuweilen erst nach einigen Wochen – wieder eingefangen. Der Kapitän-Kommandant wußte das recht gut, und die Nachforschungen nach Entsprungenen wurden deshalb stets im Walde vorgenommen, wenn die Witterungsverhältnisse ein Entkommen auf dem Wege des Meeres auszuschließen schienen.
Da jetzt der Wind immer mehr abflaute und eine Landung an der Küste leichter möglich wurde, war mit Sicherheit zu erwarten, daß Aufseher und Polizeisoldaten schon morgen alle Buchten daran besichtigen würden.
Das sagten sich O’Brien, Macarthy und Farnham natürlich auch selbst, und es erfüllte sie mit begreiflicher, großer Besorgnis. Wie endlos erschienen ihnen die Stunden des heutigen Nachmittags, wo sie, ohne daß ein weiterer Zwischenfall eingetreten wäre, auf jedes Geräusch von außen lauschten, wo sie manchmal Schritte auf dem. Strande oder das Bellen der wilden Doggen zu hören vermeinten und jeden Augenblick fürchteten, die Hunde auftauchen und sich auf sie stürzen zu sehen.
Zuweilen wuchs auch wieder ihre Hoffnung. Ohne sich aus der Höhle zu wagen, konnten sie die Bai in großem Umfange übersehen und die Schiffe beobachten, die draußen auf offener See vorüberzogen. Da tauchten einzelne Segler auf, bald nachdem der als schwache Brise wehende Wind nach Norden umgeschlagen war. Andere liefen, nach Umschiffung des Kap Pillar, gegen den Wind aufkreuzend ein. Von der ersten Mitteilung Walters her wußte Farnham, daß das für die Flüchtlinge auf der Reede von Hobart-Town eingetroffene amerikanische Schiff der Dampfer »Illinois« war. Er und seine Gefährten suchten also nach einer Rauchsäule am Horizont, einer Rauchsäule, die sich in südlicher Richtung zurückwand und die das Nahen des unter so unendlichen Gefahren erwarteten Schiffes ankündigte.
Und doch war das noch zu zeitig. Von Hobart-Town bis zur Saint-Jamesspitze sind es ungefähr zwanzig englische Meilen (32 km). Es genügte, wenn die »Illinois« die Reede gegen sechs Uhr abends verließ. Man konnte ja auf dem Schiffe nicht so unklug sein, sich der Landspitze eher zu nähern, als die Dunkelheit gestattete, das Boot zur Aufnahme der Flüchtlinge abzusenden.
»Ja, weiß man denn überhaupt an Bord, daß wir haben entweichen können? fragte Macarthy.
– Daran ist nicht zu zweifeln, antwortete Farnham. Schon sind wir sechsundzwanzig Stunden an der bestimmten Stelle, und seit diesem Morgen muß sich die Nachricht von unserer Flucht in Hobart-Town verbreitet haben. Der Gouverneur erhielt sie jedenfalls durch eine Depesche, und Walter wird sich, wie ich annehme, beeilt haben, auf die »Illinois« zu kommen. Hat der Dampfer auch gestern wegen
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