Die Gebrüder Kip
Unter den vorliegenden Verhältnissen, der Entfernung des Tatortes und der Schwierigkeit aller Nachforschungen bezüglich Flig Balts, Vin Mods, Len Cannons und der übrigen, die sich auf dem »Kaiser« befinden sollten, mußte sie sich jedenfalls sehr lange hinziehen.
In dieser Voraussicht wurde auch gleich vom ersten Tage an die Gefängnisordnung für die beiden Gefangenen wesentlich gemildert, und diese wurden nicht von der Welt abgesperrt gehalten. Man verschloß ihre Zelle nicht den Personen, die sich für ihr Schicksal interessierten, und darunter befanden sich natürlich die Herren Hawkins und Zieger, deren ermutigendes Zureden ihnen die Erduldung dieser immerhin harten Prüfung erleichterte.
Der
Lord chief-justice
des Vereinigten Königreiches war von der überraschenden Wendung der Angelegenheit in Kenntnis gesetzt worden. Da man großes Gewicht auf die Entdeckung des »Kaisers« legte, wurde Befehl gegeben, in dem Teile des Großen Ozeans, der Neuguinea, den Bismarck-Archipel, die Salomonsinseln und die Neuen Hebriden umfaßt, nach dem Schiffe zu suchen. Die deutsche Verwaltung hatte dieselben Maßregeln angeordnet, schon mit Rücksicht auf die Möglichkeit, daß der »Kaiser« in den Gegenden, die unter deutscher und englischer Schutzherrschaft stehen, doch Piraten in die Hände gefallen sein könnte.
In Hobart-Town, wo der Untersuchungsrichter und Herr Hawkins die getroffenen Maßregeln kannten, betrieben diese beiden die Auffindung weiterer Zeugen.
Die beiden Brüder waren über ihren Aufenthalt im Gasthause zum Great Old Man befragt worden und vor allem, ob sie bemerkt hätten, daß das Zimmer neben dem ihrigen bewohnt gewesen sei. Darüber konnten sie keine Auskunft geben, denn sie hatten das Gasthaus stets früh am Morgen verlassen und es erst zum Schlafengehen wieder aufgesucht.
Der Beamte und Herr Hawkins hatten sich selbst nach dem genannten Gasthause begeben und da gesehen, daß der innere Balkan des Hofes recht gut ein Eindringen in das Nachbarzimmer ermöglichte.
»Sie… sie!… Die Mörder meines Vaters!« (S. 412.)
Der Gastwirt, bei dem häufig viele Personen die Nacht zubrachten, erinnerte sich aber nicht, von wem das zweite Zimmer damals bewohnt gewesen wäre.
Anderseits konnte der Wirt der Fresh-Fishs, als er vor Gericht gerufen war, der Wahrheit entsprechend versichern, daß Vin Mod und die übrigen seit der Ankunft des »James-Cook« bis zum Tage der Verhaftung der Gebrüder Kip ununterbrochen in seinem Hause gewohnt hätten.
So kam der 20. Juli heran. Mehr als ein Monat war bereits verflossen, seit Karl und Pieter Kip sich der Behörde freiwillig gestellt hatten. Die Voruntersuchung verlief ergebnislos. Ein Umstand, auf den sich die Revision hätte stützen können, fehlte noch immer. Hawkins erlahmte deswegen noch nicht, seine Ohnmacht verursachte ihm aber doch recht schweren Kummer.
Trotz der vertröstenden Worte des Reeders, überließ sich Karl Kip zuweilen einer völligen Verzweiflung, wogegen sein Bruder nur mit Mühe anzukämpfen vermochte. Er machte Pieter vielleicht sogar Vorwürfe, von Amerika nach Australien haben zurückkehren zu wollen, um sich hier dem Gerichte auszuliefern, das sie schon einmal verurteilt hatte.
»Und das uns auch ein zweites Mal verurteilen wird, sagte eines Tages Karl Kip.
– Nein… Bruder… nein! rief Pieter Kip. Das wird Gott nicht zulassen!
– Er hat es doch zugelassen, daß wir als Mörder zum Tode verurteilt, daß unsere Namen geschändet wurden.
– Habe nur Vertrauen, mein armer Bruder, verliere das Gottvertrauen nicht!«
Pieter Kip konnte nicht anders antworten. Sein Vertrauen wurde freilich durch nichts erschüttert: es war so fest begründet, wie das des Herrn Hawkins auf ihre Unschuld.
Zu dieser Zeit bekümmerte sich Herr Zieger, dessen Aufenthalt in Hobart-Town sich nicht über zwei Wochen ausdehnen sollte, schon um Plätze auf einem deutschen oder englischen Dampfer, der nach Port-Praslin abgehen sollte.
Die zwei Wochen verlebten die beiden Familien im traulichsten Umgange. Seit der Rückkehr der Gebrüder Kip teilten sie bezüglich dieser die gleichen Gedanken, die gleichen Hoffnungen. Frau Gibson quälte die Vorstellung, daß hier zwei Unschuldige die Opfer eines Justizirrtums gewesen seien, und sie litt schwer daran, sich die Lage der Sache immer noch nicht verändern zu sehen.
In der Tat blieb die Angelegenheit, soweit eine Revision in Frage kam, sozusagen auf dem toten Punkte. Neue Erkundigungen in Holland
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