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Die Geburt Europas im Mittelalter

Die Geburt Europas im Mittelalter

Titel: Die Geburt Europas im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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großen Teil Europas mächtige Anziehungskraft aus, die aber ebenso in Begehrlichkeit wie in Bewunderung bestand. Das Glanzlicht Italien wurde auch, und mehr denn je, eine verlockende Beute, wie Girolamo Arnaldi in seinem hervorragenden Essay
L’Italia e i suoi invasori
gezeigt hat. Die Aggressoren waren: Aragón, dann das Reich, aber auch und vor allem Frankreich. Im Jahr 1489 wurde Karl VIII. sowohl von Papst Innozenz VIII. angerufen und um Intervention im Königreich Neapel ersucht als auch von Ludovico il Moro, dem neuen Herrn von Mailand, der für seinen Machterhalt in Mailand Unterstützung suchte. Am 29. August 1494 rückte der französische König Karl VIII. von Lyon zu einem vorgetäuschten Kreuzzug aus, den er nie führen sollte, um die von ihm beanspruchten Rechte des Hauses Anjou auf Neapel geltend zu machen. Dies war der Auftakt zu den Italienkriegen.
Der Europäer Philippe de Commynes
    Unterdessen stellte sich Europa, das sich in der Kombination aus einem Überguss christlicher Ideologie und schärfer abgegrenzten nationalen Realitäten strukturierte, seinen Intellektuellen, seinen Geschichtsschreibern und seinen Staatsmännern mehr und mehr als eine Einheit dar. Philippe de Commynes, der große europäische Geschichtsschreiber dieser Periode, beschließt seine zeitgenössischen Betrachtungen über den Zustand der christlichen Welt mit den Worten: «Ich habe nur von Europa gesprochen, denn über die beiden anderen Teile, Asien und Afrika, bin ich nicht informiert.» Er begnügt sich damit, zu sagen, dass diese Kontinente nach allem, was er erfahren habe, auch eines der unglückseligen Merkmale aufweisen, die das Hauptübel in Europa seien, «Kriege und Spaltungen». Und er fügt hinzu, für Afrika sei es obendrein ein Unglück, dass sich seine Bewohner gegenseitig an die Christen verkauften und die Portugiesen den Handel mit Schwarzen zum alltäglichen Geschäft gemacht hätten. Für Europa kündigt sich eine neue Phase an, in der es Afrika entdeckt und Amerika entdecken wird, eine Phase, in der es beginnt, sich schändlichen Ruhm zu erwerben, indem es die Neue Welt mit Sklaven vom afrikanischen Kontinent versorgt.
Europa öffnet sich der Außenwelt
    Neben den Wandlungen, die sich in der Tiefe vollziehen, besteht die auffälligste Entwicklung Europas am Ende des 15. Jahrhunderts in der Ausweitung und Beschleunigung der außereuropäischen Expansion. Obwohl Michel Mollat du Jourdin den «Forschungsreisenden» des Mittelalters ein schönes Buch gewidmet hat, war dieser Begriff den Zeitgenossen ebenso unbekannt wie die Rolle eines Forschers. Die wenigen Expeditionen lateinischer Christen in die außereuropäische Welt waren missionarischer Natur. Den Franziskaner Johann de Plano Carpini beispielsweise führten Missionsaufträge in die neu bekehrten Länder, nach Skandinavien, Böhmen, Polen und Ungarn. Darüber hinaus übernahm er eine Gesandtschaft zu den russischen Fürsten und den mongolischen Großkhanen Batu undGüyük, um Briefe von Papst Innozenz IV. zu überbringen, in denen der Papst vergeblich für ein Bündnis zwischen den Religionen und eine Einigung mit der römischen Kirche warb.[ 14 ] Die anderen Reisenden waren Kaufleute wie die venezianischen Gebrüder Polo und ihr Neffe Marco, die Geschäfte mit Ceylon machten, sich dann in den Dienst der Mongolen stellten und vielleicht bis nach China kamen.
    Abgesehen von den kurzlebigen lateinischen Staaten in Palästina bestand die einzige mittelalterliche Expansion der Europäer in der Errichtung eines regelrechten Handels- und manchmal sogar Territorialimperiums im Byzantinischen Reich und im Nahen Osten durch die italienischen Hafenstädte, insbesondere Genua und Venedig. Unter der großen Vielfalt an Produkten waren es vor allem die Gewürze, die die Europäer ins östliche Mittelmeer lockten. Dem von dem Florentiner Kaufmann Francesco Pegolotti verfassten Kaufmannsbuch
La pratica della mercatura
ist zu entnehmen, dass sich die Zahl der um 1340 bekannten Spezereien – unter Abzug von 193 Doppelnennungen – auf 286 Sorten belief. Diese Gewürze wurden in erster Linie für die Herstellung mittelalterlicher Arzneien gebraucht, aber auch zum Färben oder für Duftstoffe und schließlich in der Küche. Gewürzte Speisen waren im Mittelalter offenbar sehr beliebt. Zu den Spezereien wurden damals auch Zitrusfrüchte und Rohrzucker gezählt. Mehr als ein Viertel dieser Produkte kam aus Indien, China und dem Fernen Osten. Als teure Kostbarkeiten

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