Die Geburt Europas im Mittelalter
gehandelt, wurden sie von den Arabern in den Ursprungsländern eingekauft und in der Kontaktzone, die der Nahe Osten darstellte, an die europäischen Christen weiterverkauft. Die wichtigsten Umschlag- und Verladeplätze des Gewürzhandels waren die Hafenstädte Akkon, Beirut und vor allem Alexandria, die zugleich am Ende der alten Seidenstraße lagen.
Im ausgehenden Mittelalter standen die Venezianer an der Spitze der europäischen Gewürzhändler. Sie investierten jährlich 400.000 Dukaten in dieses Geschäft und schickten pro Jahr drei bis fünf Galeeren für den Warentransport ins östliche Mittelmeer – eine hohe Zahl, wenn man bedenkt, dass die hochwertigen Gewürze nur wenig Raum einnahmen. Nach den Venezianern taten sich mit einer oder zwei Galeeren imJahr die Genuesen, die Katalanen und die Händler aus Ancona hervor. Das Interesse der europäischen Geschäftsleute und reichen Konsumenten war am Ende des 15. Jahrhunderts darauf ausgerichtet, neue Bezugsquellen für Spezereien, Zucker, aber auch, um ihre wachsenden monetären Bedürfnisse zu decken, Gold und Edelmetalle zu finden.
In Richtung Atlantik und Afrika
So zogen sich die Europäer vorsichtig vom Mittelmeer zurück, zumal es durch den Vormarsch der Türken unsicher geworden war. Am Ende des 15. Jahrhunderts wandten sie sich eher dem Atlantik zu. Dieses Interesse am Atlantik war zuerst auf Westafrika gerichtet. Die christlichen Europäer hatten ein schlechtes Bild von Afrika, wie es schon seit der Antike bestand, und diese negative Sicht verschärfte sich im Mittelalter noch. Die Afrikaner, oft «Äthiopier» genannt, galten wegen ihrer Hautfarbe als Beispiele ausgemachter Hässlichkeit, und in ihrem Land wimmelte es von Schlangen und fürchterlichen Scheusalen, während der Orient neben Ungeheuern auch zahlreiche Wunder barg. In seinem 1245 auf Französisch verfassten Werk
Image du monde
definierte Gossuin de Metz «Äthiopien», das heißt Afrika, als ein Land, wo die Leute «schwärzer sind als Pech», wo es so heiß ist, dass «die Erde zu glühen scheint», und wo es jenseits eines schmalen nördlichen Saums nur Wüsten voller «Ungeziefer und wilder Tiere» gibt. Die einzigen fruchtbaren Beziehungen, die aber auf einen kleinen Kreis spezialisierter Kaufleute beschränkt waren, bestanden im Tauschhandel mit Gold aus dem Sudan, vor allem in Sijilmassa.
Im 15. Jahrhundert änderte sich dieses Bild beträchtlich. Afrika wurde ein Objekt der Begierde. 1291 segelten die Brüder Ugolino und Vadino Vivaldi durch die Straße von Gibraltar und dann entlang der afrikanischen Küste nach Süden und verschwanden auf immer. Die Entdeckungsfahrt, die der Katalane Jacme Ferrer 1346 unternahm, scheiterte ebenfalls. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts wurden die Kanarischen Inseln, zwischen 1402 und 1406 von dem Normannen Jean de Béthencourt erforscht, nach und nach von Kastilien kolonisiert. Die Bewegung beschleunigte sich, als auch die Portugiesen Interessezeigten. Am 20. August 1415 nahmen sie Ceuta ein, das die Straße von Gibraltar beherrschte und der wichtigste Umschlagplatz des saharischen Goldes war. Damit begann die portugiesische Expansion – allerdings begleitet von Konflikten, in denen sich der Streit um die richtige Strategie, der in der Zeit der großen europäischen Expansion in Portugal ausgetragen werden sollte, schon ankündigte. Die einen wollten sich hauptsächlich in Marokko niederlassen und es intensiv ausbeuten, während die anderen darauf bedacht waren, die afrikanische Westküste mitsamt den vorgelagerten Inseln möglichst weit nach Süden zu erkunden. Das letzte Unternehmen fand einen großen Organisator, der Entdeckerfahrten und Vorstöße von seinen portugiesischen Residenzen aus, insbesondere Sagres in der Algarve, von langer Hand plante und lenkte. Dieses Organisationstalent war Heinrich der Seefahrer (1394–1460), Infant von Portugal und Sohn König Johanns I. Zwischen 1418 und 1433 besiedelten die Portugiesen die Madeira-Inseln und die Azoren. 1434 umrundete Gil Eanes das Kap Bojador. Dinis Dias erreichte 1444 das Kap Verde und drang in die von Nuno Tristão entdeckte Mündung des Senegal ein. Im Jahr 1461 erkundete Diogo Afonso den Kapverdischen Archipel. Zehn Jahre später, 1471, erreichten João de Santarém und Pêro Escobar den Äquator. Und 1487 umrundete Bartolomeu Dias das Kap der Stürme, das Vasco da Gama, der es anschließend, 1497/98, auf dem Weg nach Indien umfuhr, Kap der Guten Hoffnung nannte. Unterdessen
Weitere Kostenlose Bücher