Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geburt Europas im Mittelalter

Die Geburt Europas im Mittelalter

Titel: Die Geburt Europas im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
der Tat die Hoheit über den Klerus, das Rechts- und Steuerwesen und das Heer besaßen und das Recht hatten, Ordonnanzen zu erlassen. Diese souveränen Mächte hatten natürlich ein ungleiches politisches, wirtschaftliches und kulturelles Gewicht.
    Im Lauf des 15. Jahrhunderts gewannen im Osten des Deutschen Reichs drei Mächte an Bedeutung: Brandenburg, Sachsen und Österreich. Unter der Hohenzollernherrschaft erstarkte vor allem Brandenburg: Die Markgrafen unterwarfen die Städte, insbesondere Berlin (1442–1448), und erwirkten den Rückkauf der Neumark vom Deutschen Orden, sie reorganisierten die Justiz und das Finanzwesen, vergrößerten sich in der Lausitz, besiegten die Koalition ihrer Nachbarn und richteten 1473 ein Erbfolgegesetz nach dem Erstgeburtsrecht ein. Das kleine Herzogtum Sachsen-Wittenberg war trotz seiner Kurwürde am Ende des 15. Jahrhunderts immer noch bescheiden, obwohl Kaiser Sigismund es zu Beginn des Jahrhunderts dem mächtigen Haus Wettin übertragen hatte.
    Den größten Aufstieg erlebte Österreich. Nachdem Kaiser Friedrich III. (1440–1493) wegen der österreichischen Probleme fast siebenundzwanzig Jahre nicht ins Binnenreich gekommen war, begründete sein Sohn, Maximilian I., die österreichische Machtstellung. Durch seine Ehe mit der Erbtochter des Herzogs von Burgund, Karls des Kühnen, besaß Maximilian die Niederlande. Schon 1486 wurde er zum römischen König gewählt. Nach dem Tod des ungarischen Königs Matthias Corvinuseroberte er Wien zurück (1490) und ließ sich die Regierung in Tirol abtreten. Durch den Frieden von Pressburg sicherte er sich die Rechte über Böhmen und Ungarn. Als sein Vater im Jahr 1493 starb, war Maximilian alleiniger Herrscher über ein riesiges Gebiet, das sich von Triest bis Amsterdam erstreckte. An der Schwelle zur Neuzeit, die territorial und politisch von der Suche nach einem Gleichgewicht zwischen den Großmächten geprägt sein sollte, nahm das Haus Österreich seine Position auf dem ersten Rang unter den europäischen Großmächten ein.
Die Vereinfachung der europäischen Landkarte
    Abgesehen von der Zerstückelung des Deutschen Reichs und im Gegensatz zu den dortigen Verhältnissen hat sich die politische Karte Europas im Lauf des 15. Jahrhunderts eher vereinfacht.
    Obwohl sich die Zeitgenossen im 15. Jahrhundert dessen noch nicht bewusst waren, endete mit dem Abschluss des Hundertjährigen Krieges zu Gunsten Frankreichs der lange Konflikt, in dem die beiden größten europäischen Monarchien, England und Frankreich, seit dem 12. Jahrhundert um einen wesentlichen Teil des französischen Territoriums gekämpft hatten.
    Karl VII. hatte schon 1435 mit der Rückeroberung seines Königreichs begonnen; 1436 hatte er Paris zurückgewonnen, 1449 die Normandie und 1451 Bayonne. Der französische Erfolg erhielt seine Bestätigung durch die Siege in den Schlachten von Formigny (15. April 1450) und Castillon (12. Juli 1453), bei denen der Einsatz schwerer Geschütze eine wichtige Rolle spielte. Der Vertrag von Étaples, der 1492 – nach einem gescheiterten Versuch des englischen Königs Heinrich VII., Truppen nach Boulogne zu schicken – den Verzicht der Engländer auf alle kontinentalen Besitzungen, mit Ausnahme von Calais, bestätigte, war der letzte Akt des Hundertjährigen Krieges.
    Auch nach Osten hin war das französische Königtum einer drohenden Gefahr entronnen: der Entstehung eines mächtigen Königreichs Burgund, das einen Teil seiner östlichen Territorienverschlungen hätte. Nach dem Tod Karls des Kühnen (1477) und trotz der missglückten französischen Bemühungen um eine Heirat mit seiner Tochter Maria, der Erbin des Hauses Burgund, die schließlich eine Ehe mit dem Habsburger Maximilian I. einging, erhielt Frankreich im Vertrag von Arras (1482) die Picardie, das Boulonnais, das Herzogtum Burgund, das Artois sowie die Franche-Comté und überließ Maximilian die Niederlande. Zum Dritten profitierte die französische Monarchie schließlich vom Erlöschen des Hauses Anjou. König René, ohne direkten Erben, vermachte Anjou 1475 dem König von Frankreich und einem anderen Neffen die Maine und die Provence, die beim Tod des letzten Angeviners im Jahr 1481 ebenfalls an die französische Krone fielen. Nachdem der Verlauf der Südgrenze mit Navarra und Aragón geregelt worden war, blieb nur noch das Herzogtum Bretagne außerhalb der französischen Monarchie. Die Heirat der einzigen Erbin, Anna von Bretagne, mit dem französischen

Weitere Kostenlose Bücher