Die Geburt Europas im Mittelalter
nicht nur den Widerstand, sondernbereiteten den Gegenschlag vor. Die Gründung des Königreichs von Pamplona im 10. Jahrhundert bedeutete einen wesentlichen Fortschritt für die militärische und politische Organisation der Christen, die nach dem Tod von al-Mansur (1002) und der Ermordung seines Enkels (1009) vorbereitet waren, die Krise im islamischen Spanien zu nutzen.
Die Festigung Europas
Im Osten führte die negative Entwicklung der Beziehungen zu Byzanz dazu, dass sich die römisch-lateinische Christenheit definitiv vom Byzantinischen Reich löste. Die ottonischen Kaiser bemühten sich noch, den Bruch zu vermeiden. Obwohl Otto I. in Rom die Kaiserkrone empfangen hatte, vermählte er 972 seinen Sohn Otto II. zum Zeichen der Entspannung mit der griechischen Prinzessin Theophanu, die während der Minderjährigkeit Ottos III. von 983 bis 991 die Regentschaft ausübte. Der byzantinische Einfluss am Hof Ottos III. ist nicht zu unterschätzen, und im Jahr Tausend hatte sich das christliche Europa weder von Byzanz noch von der orthodoxen slawischen Welt vollständig gelöst. Der französische König Heinrich I. (1031–1060), der Enkelsohn von Hugo Capet, heiratete noch 1051 die russisch-orthodoxe Prinzessin Anna von Kiew.
Während der ganzen Karolingerzeit und in den Jahrzehnten danach, vom 9. bis 10. Jahrhundert, kommt der Begriff «Europa» in den Texten häufiger vor, als gesagt worden ist; und im Gegensatz zu dem, was behauptet wird, handelt es sich nicht um eine rein geographische Benennung – ein Ausdruck, der übrigens keinen Sinn macht. Geographische Benennungen sind nicht unschuldig. Die Verwendung des Begriffs «Europa» bezeichnete demgegenüber ein gewisses Gemeinschaftsgefühl, das älter war als die Christianisierung. Doch obwohl dieses kollektive Identitätsgefühl fortbestehen, ja sich bei den «Europäern» noch verstärken sollte, wurde es ab dem 11. Jahrhundert meistens mit einer neuen Vokabel ausgedrückt, dem Wort «Christenheit». Der in Bamberg aufbewahrte Sternenmantel von Kaiser Heinrich II. (1002–1024), dem Nachfolger Ottos III., illustriert die kosmischen Dimensionen des kaiserlichen Traums. Die Sternzeichen vermischen sich mit den Gestalten Christi,der Jungfrau, der Engel und der Heiligen. Die lateinische Inschrift, die den Saum des Mantels umzieht, rühmt den Monarchen: «Heil sei dir, du Zierde Europas, Kaiser Heinrich. Dein Reich mehre der König, der da herrschet ewiglich.»[ 5 ]
IV. Das feudale Europa
(11.–12. Jahrhundert)
Die Periode, in der sich die Christenheit festigt, ist der Beginn des großen Aufschwungs, der schließlich Europa hervorbringen wird. Aber dieser Aufschwung hätte schon früher Gegenwind bekommen können, und er hat sich nicht unausweichlich in Richtung einer Vereinigung des späteren Europa bewegt. Ich will vor allem versuchen, die gemeinsamen Züge herauszuarbeiten, die Europa aus dieser Zeit geerbt hat. Man kann sie die feudale Schicht Europas nennen.
Fortschritte im Ackerbau
Kehren wir auf den Boden der Wirklichkeit zurück. Das feudale Europa ist eine ländliche Welt und der Grund und Boden die Basis für Europa. Obwohl die Zahl und der Einfluss der Bauern heute beträchtlich zurückgegangen sind, bleibt die Landwirtschaft ein grundlegender Faktor und ein brennendes Problem der Europäischen Gemeinschaft. Die Welt, mit der es die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zu tun hat, geht auf das Mittelalter zurück. Es ist eine Welt, in der der Getreideanbau unverzichtbar wird. Das Brot wird eine bleibende Rolle in Europa spielen. Auch zwei Getränke setzen sich durch, einerseits der Wein, dessen Bedeutung zugenommen hat, seit die liturgischen Gebräuche des Christentums Rom erobert haben, und der seine Reben bald jenseits der für zuträglich gehaltenen Klimagrenze sprießen lässt, sogar in Nordfrankreich oder in Südengland, und andererseits die Cervoise, eine Vorläuferin des Biers. Die Unterscheidung zwischen dem Wein und dem Bier trinkenden Europa war so klar, dass die Franziskaner im 13. Jahrhundert die Gewohnheit annahmen, die Klöster des Ordens in Weinklöster und Bierklöster einzuteilen. Daneben entstand im Westen ein drittes Europa, wo man Cidre trank. Insgesamt entwickelte sich das Landleben seit dem JahrTausend trotz regionaler Unterschiede und Nuancen ziemlich einförmig, und diese Einförmigkeit war von wichtigen technischen Fortschritten geprägt, die die menschliche Arbeit effizienter machen, vor allem bei der Basistätigkeit, der
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