Die gefährliche Zeugin verschwindet
keinen
Sinn.“
„Wieso nicht?“
„Ihr seid Kriminelle. Ihr wisst
selbst, was ihr zu erwarten habt. Nicht unter 20 Jahren. Vielleicht
lebenslänglich wegen besonderer Schwere eurer Taten. Ich kann euch
identifizieren (genau wieder erkennen). Nur wenn ihr mich ausschaltet,
habt ihr eine klitzekleine Chance. Allerdings hättet ihr dann mit keiner Gnade
zu rechnen, falls ihr gefasst werdet. Doch euresgleichen verdrängt solche
Gedanken. Ihr baut darauf, dass ihr nie erwischt werdet. Sonst tätet ihr’s ja nicht.
Aus alldem folgere ich: Wenn ihr mich in den Bunker sperrt, dann soll ich dort
verschmachten.“
Hajo begann zu lachen. Es klang
blechern wie Hammerschläge auf Metall. Bert stimmte ein. Sein Lachen war dumpf.
„Schlaues Mädchen“, keuchte
Hajo schließlich. „Damit sie sich nicht in die Hose macht, sollten wir ihr
sagen, was Sache ist.“
„Meinetwegen.“
Bert fuhr jetzt langsamer. Der
Wagen holperte über unebenes Gelände. Süßer Duft lag in der Luft.
Bärenklau-Gewächse, vermutete Irma, oder abblühender Holunder.
„In deiner Wohnung“, sagte
Hajo, „haben wir was gefunden. Nämlich dein privates Telefonbuch. Du hast davon
nichts mitgekriegt.“
Stimmt!, dachte Irma. Weil sie
mich eingesperrt hatten im Bad. Ich hörte, wie sie leise redeten. Aber
verstehen konnte ich nichts.
„Bert hat’s durchgeblättert.
Und weil er wahnsinnig gut Bescheid weiß in der Schickimicki-Szene, ist ihm
eine Eintragung gleich ins Auge gesprungen. Ein Name, Heinze. Der Name Anna
Bolgakow-Feuchtweg. Die hat früher als Partygirl Schlagzeilen gemacht, war wohl
zweimal verheiratet, ist jetzt Witwe und — wie man hört — stinkreich. Bert war
neugierig, hatte den richtigen Riecher und hat mal kurz die Rufnummer gedrückt,
die hinter Anna vermerkt ist. Und — Glück gehabt! Die schöne Anna hat sich
gemeldet. Bert hat gefragt, ob sie eine Irma Heinze kenne. Die Antwort hat uns
umgehauen.“
Ja, dachte Irma. Da haben sich
schon ganz andere gewundert.
„Sie ist deine Schwester“,
sagte Bert. „Jedenfalls hat sie zu mir gesagt: Wieso fragen Sie? Irma ist meine
Schwester.“
„Was ist daran so
ungewöhnlich?“, wollte die Kommissarin wissen.
„Zweierlei“, erwiderte Bert.
„Erstens, dass Schwestern offenbar sehr verschieden sein können. Zweitens: Dass
du sie nicht als Anna eingetragen hast, sondern mit vollem Nachnamen.“
„So verschieden sind wir gar
nicht. Anna ist nur etwas lebenslustiger und auf Geld bedacht, ich habe es mehr
mit dem Pflichtbewusstsein. Übrigens sind alle in meinem Telefonbuch mit vollem
Namen verzeichnet. Weil es nicht nur von mir benutzt worden ist.“
„Von wem noch?“
„Von meinem Ex... Mit Werner
war ich verlobt. Aber wir haben dann doch gemerkt, dass es für ein ganzes Leben
nicht reicht. Wegen der Trennung bin ich umgezogen.“
„Warum du und nicht er?“
„Ich wollte neue Tapeten. Seine
Wohnung war ohnehin nur auf ihn zugeschnitten.“
„Na, gut. Interessiert uns
nicht. Aber jetzt sagen wir dir, was wir Vorhaben. Deine Schwester wird für
dich Lösegeld zahlen — und zwar in Millionenhöhe. Sobald wir richtig bemoost
sind, setzen wir uns ab in die Ferne. Du bist dann keine Gefahr mehr für uns.
Und per Ferngespräch teilen wir deinen Kollegen mit, wo man dich befreien
kann.“ Flimmel!, dachte Anna. Was für ein Wahnsinn!
„Von diesem Coup sagen wir den
Bullen natürlich nichts“, fuhr Bert fort. „Die halten wir hin mit
Verhandlungen. Und mit Drohungen. Auch deiner Schwester werden wir drohen,
falls sie Zicken macht, nicht zahlen will oder sich an deine Kollegen wendet.
Dann schicken wir ihr was von dir, werden wir sagen, erst den kleinen Finger
der linken Hand. Und nach und nach die andern. Wie verstehst du dich mit deiner
Schwester?“
„Gut. Sehr gut. Wir hängen
aneinander. Aber... Anna hat nicht mehr viel Geld. Sie... Es ist ihr durch die
Finger geronnen. Ehrlich! Anna ist so. Ihr werdet enttäuscht sein.“
„Red keinen Schwachsinn! Sie
hat Geld. Ich weiß es.“ Irma schwieg. Ihr war so übel, dass sie glaubte, sich
übergeben zu müssen.
Der Wagen hielt. Der Motor
verstummte.
„Nachdem wir dich versorgt
haben“, sagte Hajo, „werden wir mit deinem Handy in deiner Wohnung anrufen.
Garantiert sind dort die Bullen aus dem Präsidium — und machen sich Sorgen um
die hübsche Kollegin.“
8. Chaline
sah die Typen
Tim schwang sich den Hörer ans
Ohr.
„Hallo! Hier bei Irma Heinze.
Peter Carsten, Tim genannt, spricht. Aber
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