Die Gefährtin Des Lichts erbin2

Titel: Die Gefährtin Des Lichts erbin2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jemisin

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gespürt. Danach blieb ich. Sterbliche Liebe war sicherer. Es gab ein Kind, und ich tötete es nicht. Ich wusste, dass mein Sohn ein Dämon war. Er war nicht erlaubt, das Gesetz hatte ich selbst geschrieben, aber ich brauchte auch ihn. Das sterbliche Mädchen flüsterte mir nachts, wenn ich schwach war, Gedanken ein: Es war unrecht, gemein und hassenswert von meinen Geschwistern, mich zu vergessen. Sie würden mich erneut hintergehen, wenn ich zu ihnen zurückkehrte. Nur sie könne mich aufrichtig lieben; ich brauchte nur sie. Ich musste das glauben, verstehst du? Ich brauchte Sicherheit. Ich lebte in ständiger Angst vor ihrem Tod. Dann fanden sie mich und kamen zu mir. Sie entschuldigten sich — entschuldigten! Als ob es nicht der Rede wert wäre.«
    An dieser Stelle lachte er einmal. Es klang eher wie ein Schluchzen.
    »Sie holten mich nach Hause. Aber ich wusste: Ich konnte ihnen nicht länger trauen. Ich hatte gelernt, was es hieß, allein zu sein. Es ist das Gegenteil von allem, was ich bin — diese Leere, dieses ... Nichts. Ich kämpfte tausende Schlachten vor Anbeginn der Zeit und verbrannte meine Seele, um dieses Universum zu formen, aber nie zuvor habe ich solche Qual empfunden.
    Das sterbliche Mädchen hatte mich gewarnt. Sie sagte, sie würden es wieder tun. Sie würden vergessen, dass sie mich lieben. Sie würden sich wieder einander zuwenden, und ich wäre allein, für immer allein gelassen. Das würden sie nicht tun. Das würden sie nicht tun.
    Dann tötete das sterbliche Mädchen unseren Sohn.«
    An dieser Stelle schwieg er kurz. Sein Körper verharrte völlig bewegungslos.
    »Nimm es, sagte sie und bot mir sein Blut an. Und ich dachte ... ich dachte ... ich dachte ... als es nur uns beide gab, war ich niemals allein.«
    Ein letztes Schweigen. Es bedeutete das Ende der Geschichte. Langsam ließ er mich los. Die gesamte Spannung und all seine Stärke flössen wie Wasser aus ihm heraus. Er glitt an meinem Körper herab auf die Knie und drückte seine Wange gegen meinen Bauch. Er zitterte nicht mehr.
    Ich habe die Natur des Lichts studiert; zum Teil aus Neugier, zum Teil aus Notwendigkeit: Ich hoffe, eines Tages meine Art des Sehens zu begreifen. Schreiber haben es ebenfalls studiert. In den Büchern, die Madding mir vorlas, behaupten sie, dass das hellste Licht — wahres Licht — die Kombination aus allen anderen Lichtarten ist. Rot, blau, gelb, noch mehr - wenn man alles zusammenbringt, entsteht blendendes Weiß.
    Das bedeutet gewissermaßen, dass wahres Licht auf die Präsenz anderen Lichts angewiesen ist. Entfernt man die anderen, ist das Ergebnis Dunkelheit. Der Umkehrschluss ist allerdings falsch: Wenn man Dunkelheit entfernt, gibt es nur noch mehr Dunkelheit. Dunkelheit kann allein existieren, Licht kann das nicht.
    So wurde Bright Itempas durch einen einzigen Moment der Einsamkeit vernichtet. Im Laufe der Zeit hätte er sich vielleicht davon erholt; schließlich kann auch ein Kiesel im Flussbett eine neue Form annehmen. Aber im Augenblick seiner größten Schwäche wurde er manipuliert. Seine Seele, die bereits Schaden genommen hatte, erhielt einen verheerenden Schlag durch die sterbliche Frau, der er vertraut hatte und die ihn angeblich liebte. Das hatte ihn vollends in den Wahnsinn getrieben. Er ermordete seine Schwester, um zu verhindern, dass er den Schmerz des Verrats noch einmal ertragen musste.
    »Es tut mir leid«, sagte er sehr leise. Die Worte waren nicht für mich gedacht. Die nächsten Worte richtete er aber an mich. »Du hast keine Ahnung, wie gern ich dein Blut für mich selbst genommen hätte.«
    Ich legte meinen Arm um seine Schultern, beugte mich vor und küsste seine Stirn. »Doch, das weiß ich.« Ich wusste es tatsächlich.
    Ich richtete mich auf, nahm seine Hand und zog ihn hoch. Er widersetzte sich nicht und ließ zu, dass ich ihn zum Bett führte. Ich zog ihn zu mir herunter. Nachdem wir uns hingelegt hatten, kuschelte ich mich in seine Armbeuge und legte meinen Kopf an seine Brust, wie ich es unzählige Male bei Madding getan hatte. Sie fühlten sich unterschiedlich an und rochen auch anders - Seesalz oder trockenes Gewürz, kühl oder heiß, sanft oder kraftvoll —, aber ihr Herzschlag war gleich. Gleichmäßig, langsam, beruhigend. Konnte ein Sohn so etwas von seinem Vater erben? Offensichtlich schon.
    Ich war der Meinung, dass ich auch morgen noch sterben konnte.




    18
    »Die Rache der Götter «
    (Aquarell)

    Ich glaube, Madding hatte die Wahrheit immer