Die Gefährtin Des Lichts erbin2
angetrunken, aber das meiste war schon im Schlaf verflogen. Ich stellte Schale und Glas vor mich und zog meinen rechten Arm vorsichtig aus der Schlinge. Obwohl ich in den Muskeln des Oberarms einen tiefsitzenden, reißenden Schmerz spürte, brauchte ich den Arm jetzt. Er war zwar geheilt, aber die Erinnerung an den Schmerz war noch frisch.
»Warte, bis ich bewusstlos bin, bevor du es tust«, sagte ich. Ich konnte nicht erkennen, ob er mich überhaupt beachtete. »Dann schütte das Blut in die Toilette. Lass nichts für sie übrig, wenn es geht.«
Immer noch hartnäckiges Schweigen. Es ärgerte mich nicht einmal mehr, so sehr war ich daran gewöhnt.
Er seufzte und hob das Messer, um zuzustechen.
Dann zerbrach das Glas auf dem Boden. Eine Hand packte fest mein Handgelenk. Plötzlich waren wir auf der anderen Seite des Zimmers an der Wand. Sonnenscheins zum Zerreißen gespannter, drahtiger Körper hielt mich mit seinem Gewicht an der Wand gefangen.
Er drückte sich gegen mich und atmete schwer. Ich versuchte, mein Handgelenk aus seiner Hand zu zerren. Er gab ein verneinendes Geräusch von sich und schüttelte meinen Arm, bis ich aufgab. Also wartete ich ab. Ich hatte es lediglich geschafft, mir das Handgelenk aufzuschürfen. Ein Tropfen meines Blutes quoll unter seiner Hand hervor, die mich immer noch fest umklammert hielt, und fiel zu Boden.
Er beugte sich hinunter. Langsam, langsam, wie ein hoher alter Baum im Wind, kämpfte er sich jeden Zoll hinunter. Erst, als er nicht mehr weiter konnte, hielt er an. Sein Gesicht war gegen meins gepresst. Sein Atem war heiß und schwer an meinem Ohr. Diese Haltung musste für ihn sehr unbequem sein. Doch er verharrte so, quälte sich selbst, hielt mich gefangen und war nur auf diese Weise in der Lage, endlich zu sprechen. Es wurde nie lauter als ein Flüstern.
»Sie liebten mich nicht mehr. Er war der Erstgeborene, ich kam danach. Seinetwegen war ich nie allein. Dann kam sie, aber das machte mir nichts aus. Es machte mir nichts aus, solange sie verstand, dass er mir zuerst gehörte. Es war nicht das Teilen, verstehst du? Ich liebte sie auch. Es war schön, sie bei uns zu haben — und danach die Kinder, so viele, alle wunderschön. Ich war damals glücklich, glücklich. Sie war bei uns, und wir liebten sie, er und ich. Aber ich hatte den ersten Platz in seinem Herzen. Ich wusste das. Sie respektierte das. Teilen war nie das Problem für mich.
Aber sie veränderten sich, veränderten sich und veränderten sich immer wieder. Ich wusste um die Möglichkeit, aber nach so langer Zeit glaubte ich nicht daran. Er war vor mir jahrhundertelang allein. Ich verstand es nicht. Sogar als wir Feinde waren, dachte er an mich. Woher sollte ich das wissen? Das war während meiner gesamten Existenz nicht vorgekommen, nicht ein Mal! Auch wenn wir getrennt waren, spürte ich ihre Anwesenheit, fühlte, dass sie sich meiner bewusst waren. Aber dann ... aber dann ...«
Zu dem Zeitpunkt zog er mich an sich. Seine freie Hand, die nicht mein Handgelenk festhielt, ballte sich in dem Stoff in meinem Rücken zusammen. Das war keine Umarmung, dessen war ich mir sicher. Es fühlte sich nicht wie eine tröstende Geste an, sondern glich eher der Art, wie er mich nach seinem Entkommen aus der Leere umklammert hatte. Oder es erinnerte daran, wie ich manchmal meinen Gehstock umklammerte, wenn ich mich an einem unbekannten Ort verlaufen hatte und niemand da war, der mir half, wenn ich stolperte. Ja, so war das.
»Ich hatte es nicht für möglich gehalten. War das Verrat? Was hatte ich getan? Ich hätte nicht gedacht, dass sie mich ganz und gar vergessen konnten.
Aber das taten sie.
Sie vergaßen mich.
Sie waren zusammen, er und sie, aber ich konnte sie nicht spüren. Sie dachten nur an den jeweils anderen. Ich war kein Teil mehr von ihnen.
Sie ließen mich allein.«
Ich habe Körper immer besser verstanden als Stimmen, Gesichter oder Worte. Als Sonnenschein mir also sein Entsetzen über einen einzigen Moment der Einsamkeit nach einer Ewigkeit in Gemeinschaft zuflüsterte, waren es nicht seine Worte, die die verheerende Wirkung auf seine Seele vermittelten. Er drückte sich so intim an mich wie ein Liebhaber. Worte waren überflüssig.
»Ich floh in das Reich der Sterblichen. Menschliche Gesellschaft war besser als keine. Ich ging zu einem Dorf, zu einem sterblichen Mädchen. Jede Liebe war besser als keine. Sie bot sich mir an, und ich nahm sie. Ich brauchte sie; nie habe ich solches Verlangen
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