Die Gefährtin Des Lichts erbin2
getreten wurde ... nun, das war für die meisten von uns beängstigender als alle Mätzchen, die die Götter sich einfallen ließen. Es bedeutete das Ende der Helligkeit. Niemand wusste, was danach kam.
Deshalb ist meine Verwirrung über einige Punkte der metaphysischen Kosmologie vielleicht nachvollziehbar.
Danach ist mir zum Glück aber alles ziemlich schnell klar geworden. Als ich der Gasse wieder meine Aufmerksamkeit zuwandte ...
... leckte das blonde Gottkind an etwas auf dem Boden.
Zuerst dachte ich, dass es Sonnenschein war. Aber als ich mich näherte, sah ich, dass sie sich an der falschen Stelle befand. Sonnenschein war auf der anderen Seite der Gasse. Das Einzige auf der Seite, wo sie hockte, war ...
Es schnürte mir die Kehle zu. Die toten Ordensbewahrer.
Sie sah zu mir herauf. Beinahe hätte ich weggeschaut. Ihre Augen hatten dieselbe Farbe wie ihr Haar: goldmeliert mit unregelmäßigen, dunklen Flecken. Ich starrte sie an. Dann traf mich schlagartig eine Erkenntnis. War es das, was die Menschen sahen, wenn sie in meine Augen schauten? Hässlichkeit, die eigentlich Schönheit sein sollte?
»Eine freiwillige Fleischspende«, sagte das Gottkind. Sie lächelte hungrig.
Ich machte einen weiten Bogen um sie herum und ging zurück zu Sonnenschein.
»Du stellst mich auf eine harte Probe«, sagte Madding kopfschüttelnd, als ich an ihm vorbeiging. »Ganz ehrlich.«
»Ich habe nur eine Frage gestellt«, blaffte ich. Dann ging ich in die Hocke, um Sonnenschein zu untersuchen. Ich erlaubte mir nicht, an die Leichen hinter mir zu denken — oder daran, wer an ihrem Tod schuld war.
»Er hat versucht, dich am Leben zu halten«, erwiderte Maddings Adjutantin.
Ich beachtete sie nicht, obwohl sie wahrscheinlich recht hatte; mir war nur nicht danach, es zuzugeben. Ich untersuchte Sonnenscheins Gesicht mit meinen Fingern und entdeckte, dass seine Lippen aufgeplatzt waren. Außerdem hatte ihm jemand ein blaues Auge geschlagen, das beinahe ganz zugeschwollen war. Diese Wunden waren nicht besorgniserregend. Ich tastete mich zu seinen Rippen vor und versuchte, den Bruch zu finden ...
Etwas prallte gegen meine Brust und stieß mich weg. Mit aller Kraft. Erschreckt schrie ich auf. Dann flog ich mit solcher Wucht rückwärts, dass ich mit meinem Rücken gegen die Wand auf der anderen Seite der Gasse krachte. Ich wurde bewusstlos.
»Oree! Oree!«
Hände zerrten an mir. Ich blinzelte die Sterne weg und sah, dass Madding neben mir hockte. Er half mir aufzustehen. Zunächst wusste ich nicht, was geschehen war. Dann sah ich, wie Madding zu Sonnenschein herumwirbelte. Sein Gesicht war wutverzerrt.
»Mir geht's gut«, sagte ich vage. Allerdings war ich davon nicht überzeugt. Sonnenschein war nicht gerade sanft gewesen. An der Stelle, an der ich auf dem Stein aufgeschlagen war, dröhnte mein Schädel dumpf. Ich erlaubte Madding, mir auf die Füße zu helfen, und war dankbar für seine Unterstützung. Dann verschwammen er und die blonde Frau vor meinen Augen. »Es geht mir gut!«
Madding knurrte etwas in der tonlosen, gutturalen Sprache der Götter. Ich nahm die Worte als glitzernde Pfeile wahr, die aus seinem Mund hervorschossen und Sonnenschein trafen. Die meisten der Worte waren harmlos. Das merkte ich daran, dass sie ohne Wirkung verpufften. Einige schienen aber zu treffen und sich hineinzubohren.
Das scheppernde Gelächter des blonden Gottkinds unterbrach seine Tirade. »Welche Respektlosigkeit, kleiner Bruder«, sagte sie. Dabei leckte sie Holzkohle und Fett von ihren Lippen. Kein Blut, sie hatte nicht geknabbert. Noch nicht.
»Respekt muss man sich verdienen, Lil.« Madding spuckte zur Seite hin aus. »Hat er jemals versucht, unseren zu verdienen, anstatt ihn nur zu verlangen?«
Lil zuckte mit den Schultern und neigte ihren Kopf nach vorne, bis ihr zerzaustes Haar ihr Gesicht verdeckte. »Welchen Unterschied macht das schon? Wir taten, was wir tun mussten. Die Welt verändert sich. Solange es Leben gibt, das gelebt werden kann und Essen, das man genießen kann, bin ich zufrieden.«
Nach diesen Worten legte sie ihre menschliche Gestalt ab. Ihr Mund öffnete sich weit und immer weiter und nahm eine unmögliche Ausdehnung an. Dann beugte sie sich über die zusammengekrümmten, verkohlten Überreste der Ordensbewahrer.
Ich bedeckte meinen Mund. Madding sah angewidert aus. »Freiwillige Fleischspenden, Lil. Ich dachte, das wäre dein Motto?«
Sie hielt inne. »Das hier war freiwillig.« Ihr Mund bewegte sich
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