Die Gefährtin Des Lichts erbin2
Arme, nicht einer. Zwei Hände stützten sich gegen das weiche Holz.
Ich blinzelte überrascht. Plötzlich war das Bild wieder verschwunden. Dann öffnete sich die Tür, und Dateh war ebenfalls verschwunden.
Ich schlief ein. Ich wollte es zwar nicht, aber ich war nach dem
Gebrauch der Magie erschöpft. Als ich meine immer noch brennenden Augen öffnete, fiel das blasse und schwächer werdende Sonnenlicht der Abenddämmerung auf meine Haut. Jemand war in der Zwischenzeit in meinem Zimmer gewesen. Das bedeutete, dass ich tief und fest geschlafen hatte. Normalerweise wurde ich beim kleinsten unbekannten Geräusch wach. Die Möbel befanden sich wieder an ihrem Platz. Auf dem Tisch stand ein Tablett mit Essen. Meine Besucher waren fleißig gewesen. Ich schaute nach und fand heraus, dass die Kerzen verschwunden waren. Man hatte sie durch eine kleine Laterne ersetzt. Ihr Design fand ich merkwürdig, bis mir klar wurde, dass es sich nur um einen langsam brennenden Docht handelte. Es gab keinen Ölvorrat, den ich zum Zeichnen hätte nutzen können. Weitere Gegenstände im Zimmer waren hauptsächlich dann entfernt oder ausgetauscht worden, wenn ich sie wegen ihrer Pigmente hätte nutzen können. Das Essen bestand aus einer Schale Haferbrei. Diesen hatten sie so fad und texturlos zubereitet, dass er nur mit Mühe genießbar war. In der Luft lag der Geruch von Reinigungsmittel. Obwohl meine Zeichnung sehr armselig gewesen war, verspürte ich doch ein gewisses Bedauern.
Ich aß und ging dann zum Fenster. Ich fragte mich, ob ich jemals aus diesem Ort entkommen konnte. Ich vermutete, dass ich seit fünf oder sechs Tagen gefangen gehalten wurde. Bald war Gebre, die Frühjahrs-Tagundnachtgleiche. Weltweit schmückten sich dann die Weißen Hallen mit festlichen Schleifen und encania. Das waren Laternen mit einem speziellen Brennstoff, deren Flammen weiß brannten und nicht rot oder golden. Die Hallen öffneten ihre Türen für alle Gäste und feierten die Ankunft der langen Sommer tage. Sogar jetzt, da so viele an ihrem Glauben zweifelten, würden die Hallen voll sein. Gleichzeitig wurden in allen Städten aber auch Zeremonien für den Lord der
Finsternis und die Lady abgehalten. Das war neu und erschien mir immer noch merkwürdig.
Nach einer Stunde öffnete sich meine Zellentür erneut. Drei Männer traten ein und trugen etwas Schweres. Ich bemerkte, dass sie zwei Teile schleppten. Sie grunzten und schubsten Tisch und Stühle aus dem Weg. Das erste Teil, das sie ablegten, quietschte leise. Ich erkannte, dass es sich um eine ähnliche Pritsche handelte wie die, auf der ich schlief.
Als Zweites legten sie Sonnenschein ab. Er stöhnte einmal und lag dann still auf der Pritsche.
»Ein Geschenk vom Nypri«, sagte einer der Männer. Ein anderer lachte. Sie gingen. Ich eilte an Sonnenscheins Seite.
Sein Fleisch war kalt wie das einer Leiche. Noch nie zuvor hatte er sich so kalt angefühlt. Er war nie lange genug tot, um seine Körpertemperatur zu verlieren. Ich tastete nach seinem Puls und spürte, dass dieser raste. Sein Atem ging schnell und stoßweise. Sie hatten ihn gesäubert. Er trug den ärmellosen weißen Kittel und die Hosen eines Novizen. Worin hatten sie ihn gebadet — Eiswasser?
»Sonnenschein?« Sein wirklicher Name entfloh aus meinen Gedanken. Ich kämpfte, um ihn auf den Rücken zu drehen. Dann breitete ich eine Decke über ihm aus. Ich berührte sein Gesicht. Er riss seinen Kopf weg und gab ein animalisches Geräusch von sich. »Ich bin's, Oree. Oree.«
»Oree.« Seine Stimme war so heiser, wie meine es auch gewesen war. Vielleicht war sie es aus demselben Grund. Danach beruhigte er sich und entzog sich nicht länger meiner Berührung.
Dateh hatte gesagt, dass er sterblich war, aber ich kannte die Wahrheit. Unter der sterblichen Erscheinung verbarg sich der Gott des Lichts, der gerade fünf Tage eingesperrt in einer lichtlosen Hölle verbracht hatte. Ich eilte durch das Zimmer und fand die Laterne, die ich zum Glück noch nicht gelöscht hatte. Half ihm ein so kleines Licht? Ich holte es heran und stellte es auf das Regal über Sonnenscheins Bett. Seine Augen waren fest geschlossen. Seine Muskeln zitterten alle wie Drähte, die bis zum Zerreißen gespannt waren. Er hatte sich nur wenig erwärmt.
Ich sah keine andere Möglichkeit, schlüpfte unter die Decke zu ihm und versuchte, ihn mit meinem Körper zu wärmen. Das war nicht leicht, weil die Pritsche eng war und Sonnenschein sie fast ganz für sich einnahm.
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