Die Gefährtin des Medicus
ihre Stirn gruben.
»Dir fällt doch auch nichts mehr zu tun ein, Caterina!«, sagte die alte Bethilie, deren Worte etwas undeutlich klangen, weil sie vor langer Zeit ihre Schneidezähne verloren hatte. »Du hast versucht, das Kind zu wenden, aber es liegt richtig und will sich nur nicht voranbewegen. Hast ihr ein Gebräu aus zerriebener Myrrhe und Nieswurz eingeflößt und ihr auch den Leib damit eingerieben. Wenn es alles nichts hilft, dann ist es eben Gottes Wille …«
Bethilie brachte den Satz nicht zu Ende, sondern zuckte bedauernd die Schultern.
»Dennoch«, erwiderte Caterina, »wir dürfen sie nicht aufgeben, wir …«
»Bitte«, ertönte da plötzlich eine schwache Stimme.
Alle im Raum zuckten zusammen, selbst Alai's. Sie hätte es nicht für möglich gehalten, dass die geschundene Louise noch sprechen konnte. Doch nun hob sie sogar die Hand, um ein Zeichen zu machen, dass Caterina näher treten möge. »Bitte«, wiederholte sie. »Du musst mir die Beichte abnehmen.«
Caterina, die sich über sie gebeugt hatte, fuhr zurück. »Ich bin kein Priester!«, erklärte sie, von diesem Anliegen sichtlich verwirrt.
Régine legte nachdenklich den Kopf schief. »In höchster Not darf auch eine Hebamme die Beichte abnehmen.«
Wenn Louise schon selbst einsieht, dass sie sterben muss, kann es in der Tat nicht mehr lange dauern, dachte Alaïs und trat unruhig von einem Bein auf das andere.
»Vielleicht sollten wir Frère Lazaire holen?«, schlug Ursanne vor.
Ratlos sahen sich die Frauen an. »Bitte …«, stöhnte Louise wieder.
Doch noch ehe eine der Frauen den Entschluss fassen konnte, den Priester zu holen, wurde polternd die Tür aufgestoßen. Begierig streckte sich Alaïs dem frischen Luftzug entgegen. Ob dieses Labsals achtete sie nicht darauf, wer es war, der in die Kate stürmte. Wahrscheinlich eines von Louises Kindern. Allerdings würden jene nicht wortlos eintreten, sondern laut plärrend.
Als obendrein Caterina ein empörtes »Hinaus!« schrie, hob Alaïs neugierig den Blick. Es war keines der Bälger.
»Ich habe gehört, hier wird meine Hilfe gebraucht«, sagte ein junger Mann, groß und hager, mit kinnlangem Haar und nussbraunen Augen. Er war ein Fremder, ein Mann, den man noch nie in Saint – Marthe gesehen hatte.
Der Protest der Frauen verstärkte sich, kaum hatte der Mann die Türschwelle überschritten. Am empörtesten fiel Caterinas Aufschrei aus. »Ihr wagt es?«, fuhr sie den Fremden an.
Unwillkürlich musste Alaïs grinsen. Dass Geburt Frauensache war, hatte sie stets bedauert. Zum einen, weil man von ihr erwartete, sie möge daran Interesse zeigen, zum anderen, weil nach ihrer Erfahrung das Leben noch eintöniger und stiller verlief, wenn die Geschlechter strikt getrennt waren.
Doch der Fremde setzte sich schamlos über altbewährte Grenzen hinweg und trat zielstrebig an Louises Wochenbett, ohne sich an dem Gestank zu stören, der wie eine Glocke darüber hing, oder sich vor dem Blut zu ekeln, das sich dunkel um ihre Leibesmitte ausgebreitet hatte.
»Ist es ein Priester?«, stöhnte Louise.
Doch der Fremde schüttelte den Kopf, hob die Hand und winkte ungeduldig. Erst jetzt stellte sich heraus, dass es einen zweiten ungebetenen Gast gab, der eben im Türrahmen erschien. Der Mann war so groß und schmächtig wie der Fremde, nur nicht ganz so entschieden in seinen Bewegungen.
»Hinaus!«, tobte Caterina wieder, und die zahnlose Bethilie schloss sich ihr mit einem unverständlichen Grummeln an.
Während der Fremde wortlos Louises Gestalt betrachtete, war sein Begleiter, der noch in der Tür stand, eher bereit, eine Erklärung abzugeben.
»Ihr Mann hat uns zu euch geschickt.«
Fassungslos blickten die Frauen einander an, denn noch unvorstellbarer, als dass ein Mann freiwillig einer Frau beim Gebären zusah, war die Vorstellung, dass Remi mit Fremden redete, wo doch für gewöhnlich nicht einmal die eigene Familie seine Stimme zu hören bekam.
»Dann muss er getrunken haben!«, versuchte sich Régine das Unvorstellbare zu erklären.
»Welcher Schwachkopf hat ihn wohl dazu verführt?«, murrte Caterina, offenbar überzeugt, dass Remi eine solche Entscheidung niemals allein hätte treffen können. Im nächsten Augenblick rief sie jedoch ein empörtes »He!« aus, das nicht Louises maulfaulem Ehemann galt, sondern dem Fremden, der seine Hände forschend in den Leib der Gebärenden steckte und ungeachtet des Bluts und des Schleims, die ihm entgegenquollen, darin grub.
Louise
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