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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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weiß hervortraten.
    »Frau Laure, wir suchen einen Weg. Und Hagan sucht Verbündete. Helft mit, wenn Ihr könnt.«
    »Wie kann ich ihm helfen, Piet?«
    »Er ist verbittert«, sagte Inocenta. »Aber Euch sieht er manchmal sehnsüchtig nach.«
    »Mir?«
    Laure vermeinte plötzlich wieder das sanfte Streicheln seines Fingers auf ihrer Wange zu spüren.
    »Euch. Ihr seid fürsorglich, Frau Laure. Und an der Fürsorge eines Weibes hat er Mangel gelitten.«
    »Ja, aber …«
    Er war ein Mann von Stand, ein Bischof, ein …
    »Er ist ein einsamer Mann, Frau Laure. Auch wenn es nicht so aussieht. Und nun sollten wir versuchen, etwas Nachtruhe zu finden. Morgen fragt Frau Hemma, was sie uns verschwiegen hat.«
    Wenig Ruhe fand Laure, und Frau Hemma zu befragen war am nächsten Tag auch nicht möglich. Der Schlag Gottes hatte sie getroffen.

30. Eine linde Mär
    Es wird gesät ein natür­licher Leib
und wird auferstehen ein geist­licher Leib.
    1. Kor. 15.44
    Die goldene Oktobersonne stand schon tief und malte durch das bleiverglaste Fenster Regenbogenfarben auf das Pult des Mannes. Er beachtete das bunte Licht nicht. Nachdenklich schob er den seidenen Ärmel seines Gewandes etwas höher und las noch einmal das Schreiben, das ein Kurier ihm soeben ausgehändigt hatte.
    Nun gut, es hatte so kommen müssen.
    Die Böhmen hatten in Konstanz wegen der Verbrennung dieses Jan Hus Protest eingelegt. Er schüttelte missbilligend den Kopf. Es war ihm gerade recht gewesen, dass man diese beiden Häretiker, Jan Hus und Wiclif, eliminiert hatte. Deren sündhafte Ideen liefen seiner Planung entgegen. Gut, dass beide zu Asche verbrannt worden waren! So konnten ihre idiotischen Anhänger wenigstens nicht noch Reliquien aus ihren Gebeinen herstellen.
    Jetzt war schon vieles vorbereitet, der nächste Schritt würde sein, den zukünftigen Anwärter auf den Stuhl Petri von seiner Mission zu überzeugen.
    Er nahm eine der frisch geschnittenen Federn zur Hand.
    Es war genau der richtige Zeitpunkt, um den zweiten Teil der neuen Legende zu verbreiten. In den kommenden Wochen und Monaten würde das Auffinden der kostbaren Reliquie ein beliebtes Thema in den Kirchen und auf den Märkten werden.
    Beschwingt tauchte er die Feder in das Tintenfass.
    Im Jahre des Herrn 1253 erschien in Lydda – dem biblischen Lod, einem Ort an der Straße nach Jerusalem – den frommen Kreuzrittern eine weiße Taube, die sie zu einem Felsgrab geleitete. Dort fanden sie in reine, weiße Tücher gehüllt den unverwes­lichen Leib des Herrn, der die Höhle mit seinem Duft nach Myrrhe und Aloe füllte. Und ein uraltes Pergament war ihm beigegeben. Es stammte aus der Feder des Joseph von Arimathäa, den ein Engel des Herrn am Sabbat aus seinem Gefängnis befreit hatte, in das die Juden ihn gesperrt hatten. In diesem Schreiben bekannte er, dass er den Leib Jesu von Golgatha entfernt habe, als sich des Nachts vor seinem Grab Schaulustige zusammen­rotteten, um den Leichnam zu schänden.
    In tiefer Anbetung verharrten die drei Kreuzritter in der Höhle, überwältigt von der Gnade Gottes, der sie zu dieser unsagbar heiligen Stätte geführt hatte.
    Und wieder erschien ihnen der Engel und gab den frommen, herzensreinen Rittern die Weisung, den unverwes­lichen Leib des Herrn aus dem von den Andersgläubigen beherrschten Land in ihre christ­liche Heimat zu bringen. Sie sollten dem Stern folgen, dem auch die Drei Heiligen Könige gefolgt waren.
    Die Ritter gehorchten der Engel Weisung, und siehe, ein heller Stern erstrahlte am Firmament, und der Schweif, den er nach sich zog, leitete sie in ihre Heimat. Sie brachten der Weisung gemäß ihre heilige Gabe nach Köln und übergaben die kostbaren Gebeine ihrem Erzbischof. Konrad von Hochstaden prüfte den in Binden gewickelten Leib, und siehe, er tat Wunder. Allein die Berührung der Gebeine heilte Kranke und erlöste alle Sünder von ihren Übeln.
    Doch noch waren die Menschen dieser Gnade nicht würdig. Sie leugneten und nannten jene töricht, die annahmen, dass Jesus Christus seinen natür­lichen Leib verlassen habe, sie beharrten darauf, er sei auferstanden in seinem Fleische. Doch schon in der Bibel stand, dass Jesus in seinem geist­lichen Leib den Zeugen erschienen war, so wie er es Niko­demus erklärt hatte. Und es war nicht sein Leib, sondern sein Geist, der zu Pfingsten gen Himmel fuhr. Sein Körper indes blieb hienieden, gehüllt in reine Tücher, unverweslich und duftend nach Aloe und Myrrhe.
    Um die heilsbringenden

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