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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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an ihm vorbei.
    Er hatte eine Tochter. Ein Stückchen Familie besaß er noch. Und sie war, wenn auch trotzig und starrköpfig, ein Mädchen, das seine Fürsorge verdiente. Nicht nur, weil Hanna es gewünscht hatte, sondern weil sie das Recht auf ihr Erbe hatte. Und weil sie zäh und mutig war. Mit Melle sollte er ein lange überfälliges Gespräch führen.
    Er betrat die Fähre und sah über das graue Wasser.
    Laure kümmerte sich gut um das Kind, zu ihr hatte es ganz offensichtlich Vertrauen gefasst. Etwas, wofür er Laure dankbar sein sollte.
    Und nicht nur dafür. Auch dass sie immer ein Essen für ihn warmhielt, oft einen Leckerbissen für ihn aufhob, sich gemerkt hatte, wie er seinen Brei zum Frühstück mochte, seine Kammer reinlich hielt und ihm den Wein oder Most mit einem Lächeln servierte. Das war weit mehr als das, wozu eine Wirtin verpflichtet war.
    Dabei hatte sie Sorgen, und die nicht ohne Grund.
    Sie ließ sich nicht unterkriegen, die kleine, zier­liche Laure.
    Hagan lächelte.
    Wenn es denn eine Zukunft gab, dann würde er ihre Freundlichkeit vergelten. Es wäre schön, sich darüber Ge­­danken zu machen, auf welche Weise.
    Nein, sicher nicht dadurch, dass er sie in die Arme nahm und sie koste.
    Obwohl das eine höchst angenehme Perspektive war.
    Aber viel mehr brauchte sie Hilfe und Beistand bei ihrer Arbeit.
    Hilfe und Beistand – das hatten ihm selbst Piet und sei­ne Vaganten geboten. Auch das wurde ihm nun in voller Klarheit bewusst. Wie verbohrt war er gewesen, dass er ihre Unterstützung die ganze Zeit einfach so hingenommen hatte. Für die Freundschaft war er blind gewesen. Hatte sich selbst blind gemacht.
    Aus Angst, dass sie nicht von Dauer sein würde.
    Weil er nur bis zu dem Tag denken konnte, an dem er Dietrich gegenübertreten musste, um ihn zum entscheidenden Kampf herauszufordern.
    Er musste nicht mehr gegen ihn kämpfen.
    Erlösung – es war das Gefühl der Erlösung, das ihn erfüllte, als er den Fährmann entlohnte und an Land ging. Und leise in sich lachend verstand er.
    Es war ein schönes, beglückendes Gefühl, von einer drückenden Last erlöst zu sein. Klar, dass die Menschen dafür bereit waren, allerlei Aufwand zu treiben, und vor allem gerne zahlten. Und doch fand man sie völlig unversehens, die Erlösung.
    Es bedeutete nicht, dass die Schwierigkeiten vorüber waren, das ganz und gar nicht. Aber er würde sie nun leichter tragen.
    Und weitere Pflichten auf sich nehmen können. Melle, Laure, Piet. Ja, auch Piets Freundschaft konnte er jetzt endlich annehmen. Warum auch immer er sie ihm geschenkt hatte. Das kleine Scharmützel damals in Speyer konnte es nicht gewesen sein.
    Aber es war auch gleichgültig. Er stand an seiner Seite, so wie vor Jahren er selbst und Sibert von Schlebusch Seite an Seite gestanden hatten.
    Mit Piet konnte er jetzt darüber reden, was er erfahren hatte. Und es war gut, einem solchen Mann vertrauen zu können.
    Der Nebel lichtete sich, eine wässrige Sonne stahl sich durch den Dunst, und er schritt kräftig aus.
    Als Hagan durch das Tor des Gasthofs trat, herrschte dort die üb­liche Geschäftigkeit. Ein Trupp Reisender war im Aufbruch begriffen, ein Geleitzug war eben eingetroffen, Mägde und Knechte kümmerten sich um Tiere und Wagen. Ein gebrochenes Rad wurde in die Werkstatt getragen, Paitze kam mit einem Korb Eier über den Hof getänzelt, aus der Küche scholl Elsekens üb­liches Gezeter. Laure redete auf eine stämmige Dame ein, aus der kostbaren Kleidung zu schließen eine Händlersgattin. Er wandte seine Schritte zu ihr, ohne sich dessen bewusst zu sein.
    »… verlange ich eine Kammer für mich und meine Zofe!«
    »Ich kann Euch nicht mehr bieten als die Gästekammer, wohledle Dame.«
    »Könnt Ihr wohl. In dem Gasthaus in Neuss hat mir die Wirtin ihre eigene Wohnung zur Verfügung gestellt.«
    »Sicher freundlich von ihr, aber in diesem Gasthaus bekommt Ihr nur die Kammer, die ich Euch zuweisen kann.«
    »Unverschämtes Weib. Mir steht …«
    Hagan unterbrach sie mit milder Stimme.
    »Es steht Euch sicher ein ritter­liches Gemach zu, werte Frau, aber dann solltet Ihr auch Unterkunft in einer ritter­lichen Residenz nehmen. Versucht es in der Burg Langel, sie liegt nicht weit entfernt von hier.«
    Die Dame plusterte sich auf und wollte aufbegehren, als ein Pferd aufwieherte und ein furchtbarer Schrei ertönte.
    »Jurg! Jurg!«, kreischte Inocenta und rannte auf den Frachtkarren zu. Über den Hof eilten Klingsohr und die

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