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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Gebeine des Herrn vor einer Schändung durch diese Ungläubigen zu beschützen, wurden sie an einen geheimen Ort gebracht. Dort wird ihnen seit jener Zeit die immerwährende Anbetung zuteil.
    Nur wenige Auserwählte haben Zutritt zu der Gruft und empfangen die Erlösung von den Sünden durch die Berührung des gött­lichen Leibes.
    Zufrieden mit seiner Mär streckte sich der Mann und be­­trachtete das regenbogenfarbene Lichterspiel auf dem Pergament.
    Noch einer Angelegenheit galt es vorzubeugen. Irgendwelche Schlaumeier würden nämlich bestimmt nach­fragen, warum man diesen sagenhaften Fund nicht nach Rom gebracht hatte, sondern in Köln versteckt hielt.
    Je nun, mochte die Erklärung ausreichen, dass man sie im heiligen Köln behalten hatte, weil in jenen Tagen zwischen den Päpsten und den Stauferkönigen Krieg herrschte. Auch die Jahre der Kirchenspaltung mit den Päpsten und Gegenpäpsten war nicht die rechte Zeit, die kostbaren Gebeine aus der Hand zu geben. Aber jetzt, nachdem das Schisma beendet war und der Heilige Stuhl neu besetzt würde, war es so weit, dass der künftige Papst diese unbeschreib­liche Kostbarkeit übernähme – zum Heil der Kirche und zur Festigung des Glaubens.
    In den nächsten Tagen würden seine ihm ergebenen Priester diese schöne, anrührende Legende fleißig verbreiten, und wie er vermutete, würde sie sich bei dem abergläubischen Volk in Windeseile herumsprechen.
    Bis nach Rom.
    Und dort würde sie auf interessierte Ohren treffen.
    Nicht dass die Kardinäle auf die rührselige Mär hereinfallen würden. Nein, aber sie würden das Potenzial dahinter erkennen.
    Und dann war es an der Zeit, dem Camerlengo ein Angebot zu unterbreiten.
    Und um eine kleine Gegenleistung zu bitten.
    Blieb nur noch, ein immer lästiger werdendes Problem aus dem Weg zu räumen. Diese verfluchten Aufzeichnungen von Max von Hürth mussten gefunden und vernichtet werden.
    Immerhin wussten seine Leute jetzt, wo das Weib sich aufhielt, das der Mater Dolorosa dieses Buch entwendet hatte.
    Wenn alles gut ging, hatten sie es schon in ihren Händen. Oder wussten zumindest den Aufenthaltsort.
    Es klopfte an der Tür, und ein schwarz gewandeter Ritter trat ein.
    »Nun?«
    »Die Alte war nicht ansprechbar.«
    »Was?«
    »Wir wurden entdeckt. Den jungen Iddelsfeld hat es erwischt. In dem Gasthof sind einige wehrhafte Männer untergebracht. Vaganten, wie es heißt.«
    Kalt, sehr kalt sagte der Mann: »Versagen dulde ich nicht. Die Mater Dolorosa wird Euch entsprechend bestrafen.«
    »Das wird sie nicht«, antwortete der Mann ebenso kalt, zog einen Dolch aus dem Ärmel und schnitt sich selbst die Kehle durch.
    Sein Blut spritzte auf das Pult des Mannes.
    »Igitt«, sagte der und läutete nach seinem Kammerherrn.

31. Beim Cantor
    Das Volk will durchaus, dass man es täusche,
man kann auf andere Weise gar nicht mit ihm verkehren.
    Synesius von Cyrene
    Das Gästehaus des Domstifts war von großer Bequemlichkeit, deshalb hatte Hagan darauf verzichtet, noch einmal das Gasthaus »Zum Adler« aufzusuchen. Nun sank er, von dem vorzüg­lichen Rotwein seines Gastgebers mit einer rechten Bettschwere gesegnet, in die Daunen.
    Und nicht nur die Bettschwere war es, die ihn zufrieden aufseufzen ließ. Nein, es war eine Bedrückung von ihm gewichen, von deren Last er nicht einmal gewusst hatte, wie gewichtig sie auf ihm gelegen hatte. Erstmals seit seinem Sprung in das kalte Wasser des Rheins bei Konstanz war ihm leichter ums Herz. Er schlief ein, schlief tief und traumlos. Und als er erwachte, war die Last nicht zurückgekehrt.
    Auch der Wein hatte keine schmerzhaften Spuren in seinem Kopf hinterlassen. So nahm er ein herzhaftes Morgenmahl zu sich und machte sich auf den Weg zurück nach Brück.
    Der Frühnebel waberte noch über dem Rhein, verwisch­te die Konturen, feuchtete seinen Bart an. Dennoch schritt er beschwingt aus und wartete geduldig am Ufer auf die Fähre.
    Er hätte mög­licherweise schon früher mit dem alten Cantor sprechen sollen. Es hätte ihm einen anderen Blick­winkel auf das Geschehen verschafft. Aber nun gut, es war, wie es war, und er hatte nun endlich einen vagen Hoffnungsschimmer gefunden. Einen, der es ihm ermöglichte, über den nächsten Tag hinauszudenken.
    Einen, der ihn vielleicht sogar befähigte, an eine Zukunft zu denken.
    An seine.
    Mehr noch an die anderer.
    Die Fähre legte an, ein paar Händler mit ihren Kiepen auf dem Rücken kamen ans Ufer, ein Frachtkarren mit Säcken beladen rollte

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