Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
bedrückten sie die Erinnerungen an ihre Mutter. Aber irgendwie ließ es sich im Freien leichter atmen.
    Sie setzte sich auf ein leeres Weinfass an der Scheunenwand und schaute dem Kater nach, der mit seinem ungleichen Gang über den Hof streunte.
    Der Schrei, der oben aus dem Wohnhaus erklang, schreckte sie auf.
    Sie sprang von dem Fass. War Frau Hemma etwas zugestoßen?
    Gerade wollte sie hinüberlaufen, als sie Jan schreien hörte.
    »Hilfe! Mörder …«
    Der Schrei brach ab.
    Auf dem Absatz drehte Melle sich um. Rannte in die Scheune.
    »Piet! Piet, wach auf! Mörder im Haus!«
    Er war schneller auf den Beinen, als sie gedacht hatte.
    »Wo?«
    »Bei Frau Laure oben.«
    Inocenta stand neben ihr.
    »Bleib, Kind!«
    Und sie folgte Piet.
    Aber Melle konnte nicht bleiben, sie rannte hinterher.
    Über den Hof liefen zwei Gestalten.
    Ein Messer flog.
    Ein zweites.
    Eine Gestalt fiel nieder, die Zwergin war über ihr. Der andere floh durch das Tor. Piet lief ihm nach, doch Hufschlag zeigte an, dass er entkommen war.
    Aus dem Haus kam Paitze, ein Nachtlicht flackerte in ihrer Hand.
    »Sie haben Jan und Mama niedergeschlagen!«
    Sie schluchzte fast.
    »Wir kümmern uns gleich darum«, sagte Piet und nahm ihr das Licht ab. »Hol mehr Lampen, Fackeln, wenn möglich.«
    Melle schwankte, ob sie Paitze helfen oder zu Inocenta gehen sollte. Die Neugier siegte.
    Sie trat zu dem Gefallenen. Ein Messer steckte in seiner Kehle, ein anderes in seiner Brust.
    »Auf Piets Messer ist Verlass«, knurrte die Zwergin. »Eigentlich schade. Ich wünschte, der hätte uns noch ver­raten, was er wollte.«
    Die Flickschneiderin und die Rattenfängerin waren ebenfalls hinzugetreten, schauten auf ihn nieder.
    »Der ist ja noch fast ein Junge. Hoffentlich war das nicht nur ein dummer Streich«, hörte Melle die eine murmeln.
    »Das glaube ich nicht.«
    Inocenta nestelte das schwarze Wams auf.
    »Mal sehen, ob er etwas bei sich trägt, das uns verrät, wer er ist.«
    Piet trat mit einer Fackel hinzu und drückte sie Melle in die Hand. Dann zog er seine Messer aus dem Leichnam. Um den Hals trug der Tote ein schmales Lederbändchen mit einem Kreuz daran. Doch als die Zwergin sein Hemd aufschnitt und seine Brust freilegte, entfuhr Melle ein Laut des Entsetzens.
    »Die … die Dornenranke!«
    »Du kennst dieses Brandmal?«
    »Ja, Piet. Der Ritter von Hane, der trägt das auch. Und der Ritter war heute Mittag hier. Und der Goswin hat ihm verraten, dass Hemma in Frau Laures Kammer liegt«, sprudelte sie hervor. Ihr war schrecklich zumute. In ihrem eigenen Kummer hatte sie völlig vergessen, Piet dieses Vorkommnis mitzuteilen.
    »Inocenta, geh zu Frau Laure und kümmere dich um sie«, wies Piet die Zwergin an. »Das hier ist höchst bedenklich.«
    Laure war zwar benommen, aber sie rappelte sich auf. Ihr Kopf schmerzte, ihr Knie ebenfalls, der Ellenbogen sang. Aber wichtiger war es, sich und die Kinder zu retten. Ein Stöhnen gleich neben ihr ließ sie nach unten greifen.
    »Mama?«
    »Jan? Was ist dir?«
    »Schlag auf den Kopf. Bin ganz dusselig.«
    »Bleib sitzen, und lehn dich an die Wand. Gott, wo ist das Nachtlicht? Warum ist es ausgegangen?«
    »Wer war das?«
    »Weiß ich nicht. Einbrecher. Zwei. Ich muss nach Paitze sehen!«
    »Frau Laure, seid Ihr da drin?«
    Laure schnaufte erleichtert auf. Inocenta. Mit einer Lampe.
    »Piet hat einen erledigt, der andere ist entkommen. Melle hat Alarm geschlagen. Paitze ist unten, hat um Hilfe gerufen. Wie geht es Euch?«
    »Angeschlagen, aber in Ordnung. Auch Jan.«
    »Ja«, sagte Inocenta. »Aber Frau Hemma ist es nicht.«
    Jetzt erst fand Laure die Kraft, nach der Kranken zu schauen. Sie lag reglos in den Polstern. Sie ging zu ihr und fühlte ihren Puls.
    »Sie lebt noch, aber sie muss die Besinnung verloren haben.«
    »Die Männer müssen etwas von ihr gewollt haben. Oder hatten sie es auf Euch abgesehen, Frau Laure?«
    »Nein, mich hat ein Geräusch aus ihrer Kammer geweckt.«
    »Wir müssen miteinander reden, Frau Laure. Ich werde Martine holen, damit sie sich um Frau Hemma kümmert. Nehmt die Kinder mit nach unten und bringt sie zu uns. Schlafen kann jetzt doch keiner mehr.«
    Sie setzten sich um den Küchentisch zusammen – Piet, Inocenta und Laure. Melle, Paitze und Jan hatte die ­Flickschneiderin Janna mit in die Scheune genommen. Schweigend hörte Laure zu, was die anderen zu berichten wussten.
    »Der Ritter von Hane war also hier. Ich bin ihm auf dem Heimweg von Poll begegnet. Er hatte es eilig

Weitere Kostenlose Bücher