Die Gefahr
Dadurch, dass man alle Kräfte der Terrorbekämpfung unter einem Dach vereinte, erhoffte man sich eine bessere Analyse des gesammelten Informationsmaterials. In Washington hielten das die meisten für eine gute Idee, doch Mitch Rapp hatte bereits festgestellt, dass die Sache in der Realität nicht ganz so einfach war.
Rapp versuchte möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen, als er in den Hightech-Konferenzsaal eintrat, was in Anbetracht seines Rufs ziemlich schwierig war. Er hatte nicht vor, sich lange hier aufzuhalten. An dem langen Tisch saßen jede Menge Direktoren und stellvertretende Direktoren von verschiedenen wichtigen Bundesbehörden und Ministerien. Jeder Einzelne von ihnen wusste genau, was Rapp bisher geleistet hatte. Er hatte mit seinen Taten bereits den einen oder anderen von ihnen ziemlich nervös gemacht.
Der Konferenzsaal war erst in der vergangenen Woche eingeweiht worden, und Rapp hatte ihn noch nie betreten. Als Erstes fielen ihm die Fotografien an der Wand gegenüber auf. Zweiundzwanzig Gesichter sahen ihn an. Er kannte nicht nur die Namen der Personen, sondern wusste auch, wo sie aufgewachsen und ausgebildet worden waren. Es handelte sich um jene Männer, die für das FBI und das Justizministerium ganz oben auf der Liste der Terroristen standen, die es zu fassen galt, um sie vor ein Gericht stellen und verurteilen zu können. Rapp sah seine Aufgabe ein wenig anders; er wollte die Kerle einfach nur erwischen und jedem eine Kugel in den Kopf jagen.
Genau darin bestand auch das Problem, das Rapp mit dem Joint Counterterrorism Center hatte. Es gab dort ganz einfach zu viele Regeln, obwohl man sich im Krieg mit einem Feind befand, der sich an keinerlei Regeln hielt. Er verstand sehr wohl, warum sie sich grundsätzlich innerhalb der gesetzlichen Grenzen bewegen mussten. Die Bill of Rights war eine Errungenschaft, die man nicht mit Füßen treten durfte – doch es gab eben Zeiten, wo man so schnell wie möglich handeln musste, um Menschenleben zu retten.
Rapp war nicht allzu überrascht, dass man im Konferenzsaal gerade über dieses Thema diskutierte. Eine Frau aus dem Justizministerium wetterte gegen den Patriot Act und meinte, dass man sich damit nur Probleme einhandeln werde. Rapp blickte zu seiner Chefin hinüber und gab ihr mit einer Geste zu verstehen, dass er gern unter vier Augen mit ihr sprechen würde.
Direktor Kennedy folgte ihm sogleich auf den Flur hinaus. »Was gibt’s?«, wollte sie wissen.
Rapp blickte sich misstrauisch um. »Ich möchte hier nicht darüber sprechen.«
»Verstehe.« Irene Kennedy ging zum Aufzug und fuhr mit Rapp einige Stockwerke hinauf, bis sie in dem Bereich des Gebäudes angekommen waren, der für die CIA reserviert war. Nachdem sie mehrere Türen mittels Zugangscodes passiert hatten, traten sie schließlich in ein leeres Konferenzzimmer ein und schlossen die Tür hinter sich.
Rapp reichte seiner Vorgesetzten eine Aktenmappe. »Ich glaube, du wirst das sehr interessant finden.«
Ohne ein Wort zu sagen, nahm sie die Akte und setzte sich. Sie öffnete die Mappe mit dem streng geheimen Material, als hätte sie das schon tausendmal gemacht, was auch tatsächlich der Fall war. Sie überflog die erste Seite und forderte Rapp angesichts des Umfangs der Akte auf, sich zu setzen.
»Mir ist nicht danach«, erwiderte Rapp. »Auf mich wartet ein Flugzeug nach Kandahar.«
Die Direktorin der CIA las weiter und sagte: »Bist du da nicht ein wenig voreilig?«
»Ich werde dafür bezahlt, dass ich schnelle Entscheidungen treffe.«
Sie blickte über den Brillenrand zu ihm auf und schüttelte den Kopf. Rapp war wie ein Bruder für sie, was manchmal ein gewisses Problem darstellte.
Rapp wartete voller Ungeduld, während sie die in aller Eile zusammengestellte Akte las. Seine Gedanken eilten weit voraus; er beschäftigte sich bereits mit der Frage, was er alles brauchen würde, um eine Operation dieser Größenordnung auszuführen.
Oberst Haq hatte ihm die Information gegeben, um die es ihm gegangen war – und dazu noch einige weitere interessante Details. Der Mann hatte sich als eine reiche Quelle von Geheimdienstinformationen erwiesen, und nur deshalb war er noch am Leben. Wenn er sich weiter kooperativ zeigte, würde Rapp sein Versprechen einhalten und den Pakistani zu seinen Kindern zurückkehren lassen. Haq hatte die Namen jener Kollegen im pakistanischen Geheimdienst genannt, die ebenfalls mit den Taliban sympathisierten, und er hatte brisante Informationen
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