Die gefangene Braut
Shadwell zog Christina zu Philip. »Miß Wakefield, darf ich vorstellen, Mr. -«
Ihr wurde abrupt das Wort abgeschnitten.
»Wir kennen uns bereits«, sagte Christina verächtlich.
Anne Shadwell sah die beiden bestürzt an, doch Philip verbeugte sich mit arroganter Anmut, nahm Christinas Arm mit festem Griff und zog sie auf den Balkon. Sie versuchte, sich zu widersetzen, aber er war sicher, daß sie keine Szene machen würde.
Als sie am Geländer standen, wirbelte sie herum und sah ihm trotzig ins Gesicht. Ihre Augen sprühten Funken, und ihre Stimme war kalt vor Verachtung.
»Also wirklich, Mr. Caxton! Ich dachte, ich hätte mich gestern abend deutlich genug ausgedrückt, aber da Sie mich nicht zu verstehen scheinen, möchte ich Sie aufklären. Ich kann Sie nicht ausstehen. Sie sind ein ungehobelter, eingebildeter Mann, und ich finde Sie ziemlich unerträglich. Und wenn Sie mich jetzt entschuldigen, werde ich wieder zu meinem Bruder gehen.« Sie wandte sich ab, um zu gehen, doch er griff nach ihrer Hand und hielt sie fest.
»Warten Sie, Christina«, forderte er mit heiserer Stimme und zwang sie, in seine dunklen Augen zu sehen.
»Ich glaube wirklich nicht, daß wir einander noch etwas zu sagen haben, Mr. Caxton. Im übrigen möchte ich Sie bitten, Abstand davon zu nehmen, mich bei meinem Vornamen zu nennen.« Sie drehte sich wieder um und wollte gehen, doch Philip ließ ihre Hand nicht los. Sie sah ihm noch einmal ins Gesicht und stapfte wütend mit ihrem Fuß auf den Boden.
»Lassen Sie meine Hand los!« forderte sie.
»Nicht, ehe Sie sich angehört haben, was ich Ihnen zu sagen habe, Tina«, antwortete er, und er zog sie dichter an sich.
»Tina!« Sie sah ihn böse an. »Wie können Sie es wagen …«
»Ich wage, verdammt noch mal, alles, was mir paßt. Und jetzt hältst du den Mund und hörst mir zu.« Die Ungläubigkeit, die auf ihrem reizenden Gesicht geschrieben stand, belustigte ihn. »Ich habe mich gestern nur deshalb so grob über die jungen Damen geäußert, um meinen Bruder zum Schweigen zu bringen, der mich unter allen Umständen verkuppeln will. Ich wollte nie heiraten, bis ich dich gesehen habe. Tina, ich will dich haben. Es wäre mir eine Ehre, wenn du einwilligen würdest, meine Frau zu werden. Ich würde dir alles geben, was du dir nur wünschen kannst – Juwelen, schöne Gewänder, meine Ländereien.«
Sie sah ihn auf ganz ungewöhnliche Weise an. Sie machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber die Worte wollten nicht herauskommen. Dann spürte er das Brennen ihrer Hand auf seiner Wange.
»So bin ich in meinem ganzen Leben noch nicht beleidigt …«
Philip ließ sie den Satz nicht beenden. Er zog sie in seine Arme und erstickte ihre Worte in einem ungestümen, fordernden Kuß. Er preßte sie dicht an sich, spürte ihre Brüste, die sich an seinen Brustkorb drängten, und benahm ihr den Atem. Sie wehrte sich und wollte sich losreißen, doch ihre Bemühungen verstärkten nur sein Verlangen.
Dann sackte Christina ganz unerwartet in seinen Armen zusammen und überrumpelte ihn. Philip glaubte, sie sei ohnmächtig geworden, doch er zuckte zusammen, als er einen stechenden Schmerz an seinem Schienbein spürte. Er ließ sie augenblicklich los, um sein Bein zu halten, und als er aufblickte, lief Christina in den Salon. Er sah sie zu ihrem Bruder gehen, der sofort ihren Umhang holte und etwas zu ihrem Gastgeber sagte. Dann begleitete John seine Schwester aus dem Salon.
Philip konnte ihre Lippen noch auf seinem Mund spüren. Sein Verlangen war noch nicht abgeebbt, als er sich zur Straße umdrehte und sah, wie Christina und ihr Bruder in ihre Kutsche stiegen und losfuhren. Er sah ihnen nach, bis sie aus seiner Sichtweite verschwunden waren, und dann suchte er Paul, um ihn zu bitten, sie bei Tom Shadwell zu entschuldigen. Er war nicht dazu aufgelegt, das Abendessen über sich ergehen zu lassen.
Paul wollte Einwände machen, aber Philip verließ bereits den Salon.
Ich hätte es wissen sollen, sagte sich Philip. Er hatte sie angefleht wie der letzte Dummkopf. Das war aber auch das letzte Mal. Nie vorher hatte er sich einer Frau erklärt, und er würde es auch nie wieder tun. Allein der Gedanke, daß er tatsächlich geglaubt hatte, sie an nur einem einzigen Abend für sich gewinnen zu können! Sie war nicht irgendeine Scheuermagd, die jede Gelegenheit ergriffen hätte, aus ihrem tristen Dasein errettet zu werden. Christina war eine Dame, die für den Luxus geboren war. Sie brauchte den Reichtum
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