Die gefangene Braut
auf!«
Langsam öffnete Johnny seine dunkelblauen Augen und lächelte, fuhr sich mit einer Hand durch das Haar und setzte sich aufrecht hin. Christina bemerkte, daß seine Augen rot waren. Er konnte letzte Nacht nicht allzulange geschlafen haben.
»Komm schon, John! Du weißt doch, wie aufgeregt ich bin«, flehte sie ihn an.
»Immer langsam, junge Frau«, sagte er lachend, während er sich den Schlaf aus den Augen rieb. »Die Yeats schlafen wahrscheinlich noch.«
»Aber ich könnte schon unsere Sachen auspacken und mich einrichten und dann den Tag mit Einkäufen verbringen. Du hast gesagt, daß ich neue Garderobe bekomme, und wann wäre der Zeitpunkt günstiger, um mich neu einzukleiden, wenn nicht an meinem ersten Tag hier? Dann kann ich meine neuen Kleider tragen, solange wir hier sind«, sagte sie beseligt, während sie aus der Kutsche sprang.
»Hat dir diese Anstandsdame denn überhaupt nichts beigebracht, Crissy?« schalt er sie aus, und er schüttelte seinen Kopf über ihr unangemessenes Benehmen. »Ich weiß, daß du aufgeregt bist, aber beim nächstenmal wirst du warten, bis ich dir aus der Kutsche helfe.«
Sie stiegen die wenigen Stufen zu einer großen Flügeltür hinauf, und John klopfte fest an die Tür. »Wahrscheinlich schläft das ganze Haus noch«, sagte er und klopfte noch einmal.
Doch die Türen wurden weit aufgerissen, und beide waren überrascht. Eine kleine, stämmige Frau mit roten Backen und grauem Haar lächelte sie an.
»Sie müssen Christina und John Wakefield sein. Kommen Sie rein – na, kommen Sie schon. Wir haben Sie bereits erwartet.«
Sie traten in einen schmalen Hausflur, in dem ein Orientteppich lag und an dessen hinterem Ende eine Treppe nach oben führte. An einer der Wände stand ein Mahagonitisch, der mit kleinen, zarten Figürchen beladen war.
»Ich bin Mrs. Douglas, die Haushälterin. Sie müssen müde sein nach dieser Reise. Wollen Sie sich noch ein wenig ausruhen, ehe Sie den Tag beginnen? Mr. und Mrs. Yeats sind noch im Bett«, sagte sie heiter, während sie sie zur Treppe führte.
»John könnte sicher noch ein wenig Schlaf gebrauchen, aber ich würde schrecklich gern ein heißes Bad nehmen und dann etwas frühstücken, wenn das nicht zuviel Aufwand macht«, sagte Christina, als sie den oberen Treppenabsatz erreicht hatten.
»Das macht überhaupt keinen Aufwand, Miß«, sagte Mrs. Douglas. Sie zeigte ihnen die Zimmer und ging.
Der Kutscher folgte mit ihrem Gepäck und ging dann wieder nach unten, um sich um die Pferde zu kümmern.
John entschuldigte sich und sagte, ein kleines Schläfchen sei genau das, was er jetzt brauche, als ein junges Mädchen eintrat, um Wasser für Christinas Bad zu bringen.
»Ich bin Mary, das Stubenmädchen«, sagte sie schüchtern, während sie einen großen Zuber herauszog und das Wasser hineingoß. »Wenn Sie etwas brauchen, Miß, dann sagen Sie es mir einfach«, fügte sie hinzu.
»Danke, Mary.«
Christina sah sich das Zimmer an. Es war klein im Vergleich zu ihrem Schlafzimmer zu Hause, aber es war ein schönes Zimmer. Ein goldgelber Plüschteppich lag auf dem Boden, und das Bett mit dem goldenen Baldachin hatte auf einer Seite eine kleine Kommode mit einer Marmorplatte darauf, und auf der anderen Seite stand eine verzierte Truhe mit Schubladen. Ein kleines Sofa mit einem grünen Samtbezug stand in der Ecke unter dem einzigen Fenster, vor dem hellgrüne Samtgardinen hingen, und an einer anderen Wand war ein Spiegel in einem vergoldeten Rahmen.
Mary verstaute die Kleider, die Christina mitgebracht hatte, und als sie damit fertig war, traf weiteres heißes Wasser ein, und endlich ließ man Christina allein. Nachdem sie ihr Haar hochgesteckt hatte, zog sie sich aus, und ließ sich in das dampfend heiße Wasser. Sie lehnte sich zurück und entspannte sich.
Solange sie zurückdenken konnte, hatte Christina schon von dieser Reise in die Stadt geträumt. Immer hatte man sie für zu jung gehalten, und letztes Jahr, als sie sechzehn war, war John mit seinem Regiment ausgezogen. Er war als Leutnant der Königlichen Armee zurückgekehrt und erwartete jetzt weitere Befehle.
Sie hatte ihr gesamtes Leben auf dem Gut der Wakefields verbracht. Doch sie hatte eine wunderbare Kindheit auf dem Lande verlebt, war frei herumgestromert und hatte viel Unfug angestellt. Sie dachte daran, wie Tommy und sie sich auf dem Dachboden über den Ställen der Huntingtons versteckt hatten, um dem alten Peter zu lauschen, dem obersten Stallknecht. Er fluchte
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