Die Gefangene des Highlanders
ihm nicht so schnell langweilig werden.
Wenn die Sache so ist, Braden MacDean, dachte sie wütend, dann sollst du mich kennenlernen.
Sie schüttelte das zerzauste Haar, versuchte, mit der Hand hindurchzufahren, ließ es dann aber sein, weil es gar zu sehr ziepte. Plötzlich war sie wütend darüber, dass sie nichts mehr auf dem Leibe trug als Bradens Mantel, so als gehöre sie ihm ganz und gar, sei sein Besitz. Es wurde Zeit, dass sie nach oben in ihr eigenes Turmzimmer stieg, um sich eines der Kleider überzuziehen, die die Frauen der Pächter ihr geschenkt hatten. Sie hatten schöne Kleider und Überwürfe aus bunt gewebten Stoffen gebracht, dazu Schuhe aus weichem Leder und geflochtene Gürtel. Lady Marian sollte wie eine Burgherrin gekleidet sein.
Eilig raffte sie ihre Schuhe auf, wenigstens die waren heil geblieben. Mit dem Schuhwerk in der Hand stieg sie die steinerne Treppe hinauf, warf den Mantel auf den Boden, nahm ein Hemd und eines der Kleider aus ihrer Truhe. Es war ein Gewand aus grobem Leinen, die dunkelgrüne Farbe war schon ein wenig ausgeblichen, eine braune, gestickte Borte schmückte Ärmelränder und Bodensaum. Marian war gerührt, als sie es überzog: Sicher war es ein Festtagsgewand, das seine Besitzerin jahrelang sorgfältig aufbewahrt hatte und es nun der Herrin zum Geschenk machte.
Sie hörte, wie unten jemand die Tür aufdrückte und in den Raum hineinging. War es Braden? Ihr Herz begann rascher zu schlagen, doch dann erkannte sie Aisleens leisen Schritt, und sie ging zur Treppe, um hinunterzuspähen.
„Aisleen?“
Die junge Frau stand starr und sah mit erschreckten Augen auf die Reste des Gewands, die auf dem Boden umherlagen. Marian schämte sich – warum hatte sie die Fetzen nicht aufgesammelt und mit hinauf genommen?
„Herrin? Seid ihr wohlauf?“, hörte sie Aisleens ängstliche Stimme.
Marian stieg langsam die Treppe hinab und lächelte ihr beruhigend zu.
„Es geht mir gut“, sagte sie. „Ich werde dir helfen, die Morgensuppe zu kochen.“
Aisleen hatte die kleine Sara auf dem Arm und sah Marian besorgt und mitfühlend an.
„Das braucht Ihr nicht, Herrin. Es sind genügend Frauen hier, die diese Arbeit tun können. Ruht euch aus – ich werde euch Brot und Suppe bringen.“
„Ich bin nicht müde“, wehrte Marian ab. „Im Gegenteil – ich brauche frische Luft.“
Sie raffte schnell die Stofffetzen auf und stopfte sie in die Truhe. Dann trat sie zu Aisleen und strich der kleinen Sara lächelnd über das Köpfchen, auf dem jetzt schon ein blonder Flaum zu sehen war. Aisleen hatte den Blick gesenkt und sah Marian nicht an.
Eine warme, schrägstehende Herbstsonne lag über dem Burghof und blendete die Augen. Man hatte die Feuer wieder entzündet, Bäuerinnen standen bei den Suppenkesseln und schwatzten fröhlich, die Männer hockten beieinander, redeten, lachten, schliffen an Messern oder Werkzeugen herum. Ein junger Hund jagte ein fettes Schwein über den Hof, am Brunnen scharrten mehrere Hühner im Boden – die Burg schien sich in ein Dorf verwandelt zu haben, in dem die Menschen unbefangen ihren täglichen Obliegenheiten nachgingen.
Marian sah Swan erst, als er sich dicht neben ihr vom Boden erhob – er musste direkt vor der Tür zum Turm gesessen haben.
„Jetzt hast du mich aber erschreckt, Swan“, scherzte sie.
Sie stellte erstaunt fest, dass der Junge leichenblass war und dunkel geränderte Augen hatte.
„Bist du krank?“, fragte sie mitfühlend und wollte ihm die Hand auf die Stirn legen, um zu fühlen, ob er Fieber hatte. Doch er wich so heftig vor ihr zurück, als habe sie ihn schlagen wollen.
„Es ist nichts“, stieß er hervor und rannte so rasch davon, dass er ins Stolpern kam und fast gestürzt wäre.
„Lady Marian!“, rief eine laute, begeisterte Frauenstimme. „Hoch Lady Marian! Unsere Burgherrin soll leben!“
Es war Margreth, und andere Frauen stimmten sofort ein. Auch die Männer ließen sich nicht lumpen, einige standen sogar auf, schwenkten ihre Becher, und alle ließen Lady Marian mit lauten Rufen hochleben.
Marian blieb verblüfft stehen, dann wurde ihr klar, dass Bradens Besuch bei ihr in dieser Nacht bereits in aller Munde war. Oh Gott – wie schrecklich. Vermutlich glaubte nun jeder hier, der Clanchief habe sich seine Frau ausgesucht, und die Wahl, die er getroffen hatte, schien alle zu begeistern. Lady Marian hatte die Herzen der Bauern und Pächter im Sturm erobert, als sie die Burg so mutig verteidigte, und
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