Die Gefangene des Highlanders
insgeheim hoffte jeder, dass der alte David MacAron endlich nachgeben würde, wenn seine Tochter Marian erst einmal Braden MacDeans Frau war.
Marian wäre gern so rasch wie möglich wieder im Turm verschwunden, doch das wäre lächerlich gewesen, hier galt es, Haltung zu bewahren. So ging sie mit freundlichem Lächeln an den Bauern vorbei, nickte ihnen hoheitsvoll zu und zog sich dann auf die Mauer zurück, wo sie sich den frischen Wind um die Nase wehen lassen konnte. Die Männer und Frauen hinter ihr stießen sich schmunzelnd in die Seite und tuschelten vergnügt. Sie schämte sich noch ein wenig, kein Wunder: Ganz sicher war sie noch Jungfrau gewesen. Die Frauen riefen ihre feixenden Männer zur Ordnung, und bald kehrte wieder Ruhe ein.
Marian hockte oben auf der Mauer, hatte dem Burghof den Rücken zu gewendet und kochte innerlich vor Zorn. Woher wussten sie alle von den Ereignissen dieser Nacht? Verdammt – Braden MacDean, diese Plaudertasche, hatte wahrscheinlich allen seinen Leuten davon berichtet, dass er mit seiner Gefangenen das Lager geteilt hatte. Vielleicht hatte er sogar erklärt, sie zu seiner Burgherrin machen zu wollen – aber da irrte er ganz gewaltig. Niemals würde sie einen Mann heiraten, der sich eine Kebse hielt.
Eine Weile brütete sie vor sich hin, dann hörte sie, wie der schwere Riegel des Burgtores zurückgeschoben wurde, und sie sah Druce MacMorray gemeinsam mit Braden aus dem Tor reiten, gefolgt von ihren Zöglingen. Aha – heute wurde der Kampf zu Pferde geübt, die jungen Kerle sollten lernen, ihre Tiere nur durch den Druck der Schenkel und Fersen sicher zu beherrschen, damit die Reiter sich später ganz und gar dem Kampf widmen konnten. Wider Willen sah sie dem Treiben eine Weile zu, stellte fest, dass Bradens Bemühungen bereits Früchte getragen hatten, denn einige der jungen Kerle zeigten sich recht geschickt. Braden selbst schien unermüdlich, trieb seine Zöglinge immer wieder an, zeigte ihnen seine Tricks, ermutigte, forderte heraus und sparte nicht mit Lob.
Wenn er so weitermacht, hat er ein einigen Monaten eine junge, aber gut geübte Ritterschaft beisammen, dachte sie besorgt. Glaubt er wirklich, sie gegen meinen Vater führen zu können?
Nachdenklich sah sie zu, wie Braden sein Pferd auf engstem Raum wendete, eine rasche Attacke ritt und den Speer mit der harten Stahlspitze genau im Ziel plazierte. Wie sicher er zu Pferd saß, gerade so, als sei er mit dem Rücken des Tieres verwachsen. Ruhig und fast mühelos schien er die schwere Lanze zu werfen, fasste nur kurz das Ziel ins Auge und traf doch genau in die Mitte der aufgemalten Scheibe.
Täuschte sie sich, oder hatte er gerade eben zu ihr hingesehen? Doch nein, ganz sicher nicht – er gab dem Pferd die Sporen und begann die Übung von vorn.
An diesem Tag schien Braden kein Ende finden zu können. Sogar Druce kehrte am Nachmittag in die Burg zurück, setzte sich aufseufzend ans Feuer und ließ sich von den Frauen mit frischem Bier und Brot versorgen.
„Verflucht noch mal“, stöhnte er und wischte sich den Bierschaum aus dem Bart. „Den armen Kerlen fallen gleich Arme und Beine ab – aber Braden muss heute den Teufel im Leib zu haben. Wenn er so weitermacht, dann wird er selbst gleich vor Erschöpfung vom Pferd fallen.“
Marian hatte sich um die Mittagszeit in ihr Turmzimmer zurückgezogen, saß schlecht gelaunt auf ihrem Lager und brütete vor sich hin. Was dachte Braden sich eigentlich?
Er stürzte mitten in der Nacht über sie her, erzählte ihr allerlei Unsinn und weckte ihre Leidenschaft so heftig, dass sie sich selbst nicht mehr kannte. Am Morgen verschwand er, erzählte allen in der Burg, dass er mit der schönen Marian geschlafen hatte und begab sich dann wie ein Besessener an seine Arbeit.
Zum Donnerwetter – er hatte den ganzen Tag über keinen Blick für sie gehabt. Geschweige denn ein freundliches Wort.
Ein heißer Schmerz stieg langsam in ihr auf und erfüllte ihre Brust, so dass ihr das Atmen schwer wurde.
Wahrscheinlich tat es Braden schon leid, mit ihr geschlafen zu haben. Ganz sicher hatte er ein schlechtes Gewissen – schließlich hatte er seine schöne Sitha betrogen. Ja – Braden MacDean bedauerte diese Liebesnacht zutiefst und versuchte die Erinnerung daran loszuwerden, indem er sich den ganzen Tag über ohne Pause mit den jungen Kerlen beschäftigte. Wahrscheinlich würde er gegen Abend todmüde auf sein Lager fallen und sofort einschlafen.
Die Gegenstände in dem kleinen Raum
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