Die Gefangene des Highlanders
gewesen, immer zu gutmütigen Scherzen aufgelegt und den Kopf voller bunter Raupen. Mit heißen Wangen hatte er den Erzählungen der Barden gelauscht, ja, Braden war davongezogen, um das große Abenteuer zu suchen, um jene Heldengeschichten zu erleben, von denen der Barde so blumig erzählte. Der Mann, der jetzt zurückgekehrt war, hatte nichts mehr mit dem liebenswerten Jungen ihrer Kindheit zu tun. Kalt wie Stein war er geworden, spöttisch und verletzend, mitleidslos und grausam. Das Schlimmste aber war, dass er nichts unterließ um seinen eigenen Untergang herbeizuführen. Oh Gott, er würde sie vielleicht wirklich töten, ja es war sogar sehr wahrscheinlich, dass er es tun würde. Er würde sie umbringen, um sich für den Tod seiner Familie und den Verlust seines Landes zu rächen! Und was würde daraus entstehen? Ihr Vater würde alle seine Ritter versammeln, die Kämpfe würden erneut ausbrechen, und am Ende würde nicht nur Braden sterben, sondern vielleicht auch ihr Vater. Oh wie sie diese verdammten, sturen Kerle hasste! War nicht schon genug Blut in dieser unglückseligen Fehde geflossen? Warum war Braden nur zurückgekommen? Warum war er nicht im Morgenland bei seiner verfluchten Sarazenin geblieben? Er hätte damit einigen Leuten viel Kummer erspart, am meisten sich selbst.
Es war fast dunkel in dem kleinen, viereckigen Raum, denn das Talglicht war nahezu erloschen, doch trotz der Geräusche draußen konnte sie leises, stoßweises Atmen vernehmen, das links von ihr aus einer Ecke kam.
„Aisleen?“
Es kam keine Antwort. Natürlich war Aisleen wütend auf sie, kein Wunder, schließlich hatte sie das Mädchen hereingelegt. Dass es ihr im Grunde verdammt leid tat, würde Aisleen ihr ganz sicher nicht glauben.
Sie strengte die Augen an, doch es war zu dämmrig, um in der linken, hinteren Ecke etwas erkennen zu können. Schemenhaft nur nahm sie einige Gegenstände wahr, die Töpfe an der Kochstelle, die primitiven Lagerstätten, die nur aus Stroh und Decken bestanden, einen hölzernen Eimer, der vermutlich dazu diente, Wasser aus dem nahegelegenen See zu holen. Rechts von ihr lagen längliche Gegenstände dicht neben der Mauer auf dem Boden – hatten Swan und sein Vater Rupert sich hölzerne Spieße geschnitzt, um sich notfalls verteidigen zu können?
Das Talglicht flackerte schwach auf, es waren die letzten kleinen Flämmchen, bevor es endgültig erlosch. Marian zuckte zusammen, weil eine Maus dicht neben ihrem Lager vorüberhuschte, dann rutschte sie zur Tür hinüber und begann, mit den gefesselten Füßen gegen die Bretter zu stoßen, um eine Lücke zu schaffen.
„Hör auf damit!“
Aha, Aisleen redete also doch mit ihr. Es klang allerdings recht schwach und kraftlos, wahrscheinlich war sie ihr vorhin nachgelaufen und lag jetzt erschöpft auf ihrer Decke.
„Reg dich nicht auf“, knurrte sie unfreundlich zurück. „Mit gefesselten Füßen werde ich schon nicht weglaufen.“
Jetzt hatte sie es geschafft, eines der Bretter ein wenig zur Seite zu schieben, und sie drehte sich auf den Bauch, um durch den Schlitz hindurch zu schauen. Im diffusen Licht des Mondes erkannte sie die Gestalten der Männer, die sich in gebückter Haltung hin und her bewegten, huschenden Gnomen gleich, die schwere Schätze vorüberschleppten. Immer wenn sich eine Wolke vor den Mond schob, versank die Szene in Dunkelheit, um dann geisterhaft im bläulichen Mondlicht wieder aufzutauchen. Der Wall war an dieser Stelle schon so hoch wie ein zehnjähriger Knabe, doch war es unsicher, ob er einem Ansturm widerstehen würde, denn man hatte Steine und Balken nur hastig aufeinandergeschichtet, ohne die Gesteinsbrocken sorgfältig in einander zu passen. Auch würde diese lächerliche Mauer ganz sicher nicht zu einem Ring um den Wohnturm geschlossen werden können, es sei denn, diese Kerle da draußen besäßen tatsächlich die Zauberkraft der Erdgeister.
Diese Dummköpfe haben gute Chancen, von ihrer eigenen Mauer erschlagen zu werden, dachte sie grimmig und sah zu, wie sich zwei Kerle mit einem dicken Steinbrocken abmühten. Sie hatte die beiden vorhin in der Hütte nicht gesehen – wahrscheinlich waren sie erst später angekommen, und sie waren nicht die einzigen. Die Nachricht, dass Braden MacDean zurückgekehrt war, schien sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen zu haben, von überall her strömten ihm die Pächter zu, die früher zum Clan der MacDeans gehört hatten und jetzt an die MacArons ihre Pacht zahlen mussten.
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