Die Gefangene des Highlanders
Wollgrases reckten sich auf dünnen Halmen empor, dazwischen glänzte lauernd das brackige Moorwasser. Ein fauliger Geruch nach Sterben und Vergehen lag über der stillen Landschaft.
Das Moor! Marian wusste, dass es tödlich war, sich dort zu verirren. Unzählige Opfer – Menschen und Tiere – hatte dieser Sumpf schon verschlungen, und er würde es weiterhin tun. Und dennoch gab es Wege durch das Moor, und so mancher Flüchtige war auf diese Weise seinen Verfolgern entkommen.
Aber woher sollte sie einen Pfad durch dieses Moor kennen? Wieder hörte sie hinter sich das Brechen des Gezweigs – ihr Verfolger gab nicht auf. Sie stand mit dem Rücken fest gegen einen breiten Stamm gelehnt, lauschte, spürte wie ihr Puls vor Aufregung flogen und schloss für einen Moment die Augen.
Nein – um nichts in der Welt wollte sie Braden wieder in die Hände fallen.
Als sie jetzt die Augen öffnete, schienen sich eigenartig geformte Schatten über das Moor zu bewegen, und sie fuhr sich mit der Hand über die Augen, weil sie zuerst glaubte, es sei eine Sinnestäuschung. Doch die dunklen Formen, die über die mondbeschienene Fläche glitten, glichen plötzlich galoppierenden Pferden, die wild durcheinander liefen, miteinander verschmolzen und sich wieder voneinander lösten wie Schattengebilde. Einige der Tiere stiegen, sie sah die Mähnen im Wind flattern, die Vorderbeine mit den harten Hufen wirbeln, dann wieder schien ihr, als säßen Reiter auf den Pferden, spitze Lanzen zeichneten sich hart gegen das Mondlicht ab, lange Dolche waren zu sehen, von harten Armen geführt.
Es war Irrsinn, sie wusste es noch im gleichen Augenblick, während sie die Füße auf das schwankende Heidekraut setzte. Es konnte nur eine Sinnestäuschung sein, Reiter und Pferde würden in diesem Boden auf der Stelle versinken, es mussten die Moorgeister sein, Wiedergänger längst gestorbener Krieger, die hier im Kampf ihr Leben gelassen hatten. Sie spürte einen unwiderstehlichen Sog, den Schattenkriegern zu folgen, wehrte sich dagegen und ging doch weiter, fühlte, wie das Moorwasser ihre Schuhe durchdrang, die Knöchel benetzte und blieb dennoch nicht stehen. Hinter ihr zischte eine Klinge durch das Geäst, unter harten Tritten zerbrach das Holz, keuchender Atem war zu hören. Von wilder Angst ergriffen lief sie weiter, sank bis über die Knie in den schlammigen Boden ein, rettete sich auf eine der silbrig schimmernden Heidekrautinseln und spürte doch, wie der Boden sogleich unter ihr nachgab. Der Saum ihres Mantels hatte sich mit Nässe vollgesogen, und sie warf den schweren Stoff von sich, um sich leichter bewegen zu können.
„Marian!“
Der laute Ruf traf sie wie ein Schlag, ließ sie zusammenzucken, doch sie wandte sich nicht um. Stattdessen eilte sie immer weiter voran, sank bis über die Knie in den Boden ein, fasste mit den Händen in die lauwarme, nasse Moorerde, klammerte sich an Heidekrautbüscheln fest, die ihr in den Händen blieben ohne Halt zu bieten.
„Marian! Bleibt verdammt noch mal stehen, dumme Person!“
Sie kämpfte verzweifelt, atmete den stechend-fauligen Geruch der Moorerde ein, versuchte, ihr Gewand aus dem Morast zu ziehen und versank dabei bis zu den Hüften im Schlamm.
„Nicht bewegen! Verflucht noch mal. Kannst du ein einziges Mal tun, was man dir sagt?“
Vor ihren Augen blitzten Lichter auf, und sie wusste, dass es die Moorgeister waren, die sie mit Irrlichtern lockten. Gierig sog das Moor ihr Haar ein, die schwarzen Hände der Moorhecken griffen nach ihrem Gewand, zogen sie bis zur Brust in die weiche, kühle Tiefe. Jetzt erst wandte sie den Kopf und sah eine große Gestalt, die gebückt am Waldrand stand und wie ein Verrückter auf einen Baum eindrosch. Dann schwappte das schwärzliche Wasser ihr bis zum Kinn, und sie versuchte krampfhaft, an einigen Grasbüscheln Halt zu finden.
„Hilfe!“, schrie sie kraftlos. „Braden! Hilf mir doch!“
Ein großer Ast brach irgendwo mit lautem Ächzen von einem Baum herab, Marian schluckte das brackige Moorwasser, hustete und spuckte, die Grasbüschel in ihren Händen sanken mit ihr in die Tiefe. Jede Bewegung erforderte unglaubliche Kraft, denn der Schlamm saugte ihren Körper immer weiter hinunter, dorthin, wo die Moorgeister ihr unterirdisches Reich hatten und auf die Beute warteten.
„Nicht bewegen, habe ich gesagt!“
Sie hörte seine Stimme nur noch schwach, denn das Moorwasser drang ihr in Mund und Nase, sie hustete, spuckte und spürte verzweifelt,
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