Die Gefangene des Highlanders
dass jede, auch die allerkleinste Bewegung sie weiter hinunterzog.
„Greif zu!“
Etwas Hartes berührte ihre Schulter, und sie machte einen schwachen Versuch, den Gegenstand von sich abzuwehren, dann erst begriff sie und klammerte sich an den Ast.
„Festhalten! Gottverdammt – was habe ich gerade gesagt? Nochmal von vorn! Fest. So fest du kannst.“
Der Ast war ihr durch die Finger gerutscht, und sie war durch den Rückstoß noch ein wenig tiefer in den Schlamm gestoßen worden. Sie strengte die allerletzten Kräfte an – fasste das Holz zum zweiten Mal und hielt dieses Mal fest. Langsam und unwillig schmatzend gab das Moor seine Beute wieder frei. Braden, der selbst bis über die Knie im Morast stand, zog sie wie an einer Angel zu sich heran, dann packte er sie bei den Handgelenken und schleppte sie wie einen nassen Sack zum Waldrand, wo die Baumwurzeln sicheren Grund boten.
Sie spürte es kaum, sah schwarze Dunkelheit und dazwischen gleißende Lichter und spuckte stinkendes Moorwasser aus. Jemand zerrte an ihrem nassen Kleid, dann begann sie am ganzen Körper zu zittern und konnte nicht mehr damit aufhören.
Jemand fluchte zum Gotterbarmen, erklärte bei allen Teufeln und Höllengeistern, ein vollkommener Schwachkopf zu sein und sie merkte, wie ihr Körper emporgerissen wurde. Gleich darauf wurde ihr klar, dass er sie wie einen halbgefüllten Getreidesack über die Schulter geworfen hatte. Er hielt ihre Knie mit einer Hand umfasst, die andere ruhte auf ihrem Po, während ihr Kopf in der Gegend seines verlängerten Rückens hing und ihr langes, nasses Haar über den Boden schleifte.
„Lass mich sofort runter!“, fauchte sie und versuchte, sich zu befreien. „Ich kann alleine laufen!“
„Das wäre nicht übel“, hörte sie ihn brummen. „Zumal du außer deinem nassen Hemd nichts mehr am Körper hast.“
Entsetzt begriff sie, dass er ihr das nasse, schlammige Kleid ausgezogen hatte. Dann würde ihr schlecht, die glitzernden Lichter erschienen wieder vor ihren Augen, und sie verlor für eine Weile das Bewusstsein.
Kapitel 6
Braden hatte, während er durch Wald und Heide, stapfte eine solche Wut im Bauch, dass er weder die Kühle der Nacht noch die Last auf seiner Schulter spürte. Diese hinterhältige Person hatte seine Gutmütigkeit ausgenutzt, um sich heimlich davonzumachen, und seine Wächter, diese Versager, hatten nichts bemerkt. Blind und taub waren die Kerle – er hatte den armen Keith fürchterlich angebrüllt, und auch die anderen hatten den Ärger des Clanchiefs zu spüren bekommen.
Warum hatte er dieses verrückte Mädchen nicht angekettet? Oder ihr wenigstens Hände und Füße mit Riemen gefesselt? So eine dumme Person musste man ja vor sich selbst schützen – was für ein bodenloser Leichtsinn, aufs Moor hinaus zu laufen. War sie vielleicht fremd hier? Seit ihrer Kindheit wusste sie um die Gefahren des Moores, früher hatten sie gemeinsam mit Robin und Ewan am Rand des tückischen Sumpfes gestanden und Steine hineingeworfen, um dann zu beobachten, wie der schwarze Morast sie glucksend verschlang. Einmal hatten sie zugesehen, wie ein Reh dort hilflos versank, das sich zu weit auf die tückische Heidefläche hinausgewagt hatte, und – jetzt fiel es ihm wieder ein – Ewan hatte damals schon alle Mühe gehabt, seine Schwester Marian davon abzuhalten, ins Moor hinauszulaufen um das Tier zu retten.
Schwitzend und immer noch wütend erreichte er die Burgruine, die jetzt gut sichtbar im Mondschein lag – von Nebel keine Spur mehr. Marians Körper war schlaff und schien ohne Leben – vermutlich war sie ohnmächtig geworden, kein Wunder nach all der Todesangst, die sie ausgestanden hatte. Voller Unbehagen stellte er fest, dass er begann sich Sorgen zu machen, und er bemühte sich, eine gleichgültige Miene aufzusetzen, als er auf den Hügel stieg.
Keiner der Bauern hatte sich schlafen gelegt, einige waren mit den Clanchief davongeeilt, um die Entflohene zu suchen, inzwischen waren sie jedoch unverrichteter Dinge zurückgekehrt. Die anderen hatten beieinander am Feuer gesessen, und man hatte die unterschiedlichsten Vermutungen gehegt. Keiner der Männer hatte geglaubt, dass es Braden gelingen könnte, die entflohene Geisel bei diesem Nebel zu finden und wieder einzufangen. Deshalb starrte man ihn voller Bewunderung an, während er mit seiner Last auf der Schulter durch den flackernden Lichtschein des Feuers ging und dann in der Turmkammer verschwand.
„Im Moor ist er gewesen –
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