Die Gefangene des Highlanders
Strafen für Ungehorsam waren drastisch. Man raffte die empfangenen Geschenke zusammen, stürzte rasch noch die Neige aus dem Krug hinunter und beeilte sich zu verschwinden. Auch Flora, die Burgherrin, hatte sich zurückgezogen, so dass Druce nun mit dem Clanchief völlig allein im Saal war.
„Hör mir zu, Druce“, sagte der Alte und grub dabei seine verkrümmten Finger fest in den Arm seines Gastes. „Du bist unser Freund und Waffenbruder, und wir alle sind froh und glücklich, dass du den Weg zu uns zurückgefunden hast.“
Druce achtete kaum auf das, was David sagte, er war nur von einem einzigen, angstvollen Gedanken erfüllt.
„Was ist mit Eurer Tochter Fia? Ist sie ernsthaft erkrankt?“
David sah den jungen Mann von der Seite an, und ein feines, kaum sichtbares Lächeln glitt über seine eingefallenen Züge.
„Fia ist krank vor Kummer, Druce. Seit Tagen liegt sie auf ihrem Lager und fiebert.“
Druce spürte, wie sein Herz vor Aufregung hämmerte, und die wahnsinnige Vorstellung stieg in ihm auf, dass Fia vielleicht gar nach ihm, Druce, solch gewaltige Sehnsucht hatte, dass sie darüber krank geworden war. Doch die folgenden Worte des Alten belehrten ihn eines Besseren.
„Fia grämt sich um ihre Schwester Marian, die von Braden entführt wurde und als Geisel gefangen gehalten wird.“
Druce starrte seinen Gesprächspartner an und musste zuerst einmal seine Gedanken sortieren, zu viele Neuigkeiten auf einmal waren da über ihn hereingestürzt.
„Braden ist zurück? Himmel, ich hatte schon gefürchtet, es habe ihn am Ende doch noch erwischt. Aber wieso hat er Marian entführt? Waren die beiden nicht einmal miteinander verlobt?“
David MacArons Gesicht wirkte jetzt versteinert, von Kummer gezeichnet, so dass es Druce fast unheimlich wurde.
„Das ist lange her, und wie du uns erzählt hast, hat er sich ja inzwischen anderweitig umgesehen. Braden MacDean kam vor wenigen Tagen in meine Burg, anmaßend und frech höhnte er meinen toten Sohn und forderte sein Land. Nun, ich war nicht abgeneigt, ihm das Seinige zurückzugeben, doch sein unverschämtes Auftreten konnte ich nicht dulden. So habe ich ihm Verhandlungen vorgeschlagen, doch er spuckte mir ins Gesicht und stürmte davon.“
Druce hörte den Bericht mit ungläubiger Miene. Es war nicht Bradens Art, so aufzutreten. Auf der anderen Seite hatte er kurz zuvor vom Tod seiner Eltern und seines Bruders erfahren und war vermutlich voller Kummer und Zorn gewesen. Auch hatte man seine Burg zerstört und sein Land genommen …
Der alte Chief sah, wie es in Druce arbeitete, und er ließ ihm keine Zeit zu weiterem Nachdenken.
„Das Unglück wollte es, dass er kurz danach im Wald auf Marian traf, die zur Jagd geritten war. Er hat sie überfallen und mit sich geschleppt, was er sonst mit ihr getan hat, daran mag ich nicht denken. Du kennst Marian, sie weiß sich zu wehren.“
Druce nickte – da sprach David MacAron nur zu wahr. Marian konnte sehr zornig werden, wenn ihr etwas gegen den Strich ging. Braden hatte vermutlich Gewalt anwenden müssen. Kein Wunder, dass die arme Fia vor Sorge um ihre Schwester krank geworden war …
„Jetzt hat Braden MacDean sich in seiner Burgruine verschanzt, sammelt aufrührerische Pächter um sich, hetzt sie gegen mich auf und fordert den Kampf auf Leben und Tod.“
Druce runzelte die Stirn – irgendwie erschien ihm diese Geschichte nicht ganz klar.
„Aber was fordert er denn? Rache für seine Familie?“
„Er will sein Land zurück, Druce“, erklärte David mit ungewöhnlich sanfter Stimme. „Und er glaubt fest, dass ich es ihm nicht geben will. Deshalb brauche ich einen guten Mann, der zu Braden hinüberreitet und ihm die Lage erklärt.“
Die hellen Augen des Clanchiefs sahen Druce auffordernd an. Es schien ihm fast, als wollten die kleinen, schwarzen Pupillen, die in dem lichten Blau der Iris deutlich hervorstachen, ihn wie Pfeile durchbohren.
„Ihr meint …“, stotterte er.
„Ich hoffe auf dich, Druce. Du bist Bradens Freund und auch meiner. Kein anderer als du ist besser geeignet, zwischen uns beiden zu vermitteln.“
Druce schluckte. Er dachte an Fia, die um ihre entführte Schwester bangte. Wenn er Marian zu ihr zurückbrächte, wie glücklich würde sie sein. Wie ein Held würde er vor ihr dastehen.
„Ich bin dazu bereit“, sagte er entschlossen. „Schon morgen werde ich aufbrechen und mein Glück versuchen …“
Der Griff des alten Mannes verstärkte sich, und Druce hatte das
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