Die Gefangenen des Korallenriffs
wovon sie sich ernährt hatten, wie groß und von welchem Gewicht sie waren, wieviel sie an einem Tag zu fressen vermochten.
Eine Frage allerdings konnte er nicht beantworten – die nämlich, woher dieses Exemplar stammte. Waren die Höhlenlöwen auf der Rameria doch schon seit Urzeiten ausgestorben.
Wie wir wissen, hätte das Kau-Ruck gleichfalls gern erfahren. Deshalb war sein Freund Ilsor auch nicht besonders erstaunt, als der Pilot plötzlich vor ihm stand.
»Ich hab schon von eurem Löwen gehört«, sagte Ilsor, »was hältst du von dieser Geschichte?«
Der Pilot zuckte die Achseln.
»Er muß vom Himmel gefallen sein, eine andere Erklärung hab ich nicht. Aber im Ernst, wahrscheinlich ist er durch den Tunnel hierher gelangt, den wir beide kürzlich entdeckt haben. Obwohl uns da ja eine unüberwindliche Barriere von jener anderen Welt trennte.«
Mit diesen Worten erinnerte Kau-Ruck seinen Freund an einen Tag, als sie Kostja und Viola im Elmenland beobachtet, ja, ihnen sogar geholfen hatten. Nur wußten sie damals noch nicht, daß es das Elmenland war.
»Trotzdem haben wir dort Erdenmenschen gesehen!« entgegnete Ilsor. »Vielleicht ist der Löwe zunächst auf die Erde und von da aus zu uns auf die Rameria gekommen. Schade, daß er nicht sprechen kann, wie zum Beispiel der Tapfere Löwe im Zauberland! Er würde uns bestimmt eine Menge erzählen. So aber sind wir nur auf Vermutungen angewiesen.«
Sie unterhielten sich noch eine Weile, rätselten hin und her, ohne weiterzukommen. Immerhin beschlossen sie aber, die Stelle in der Wüste im Auge zu behalten, wo der Löwe so unvermutet aufgetaucht war: Vielleicht traf dort noch jemand ein, der ein bißchen gesprächiger war.
Der Löwe Grau indessen, erschöpft von der langen Reise, schlief bis zum nächsten Morgen. Doch wie groß war sein Erstaunen, als er beim Erwachen nicht den blauen Himmel, die heiße Sonne und den gelben Wüstensand wahrnahm, sondern die Gitterstäbe eines Käfigs. Er hatte keine Ahnung, wie er hierher geraten war! Das letzte, woran er sich erinnern konnte, war ein herrliches Stück Fleisch, das unvermutet, wie von einem Zauberstab dirigiert, vor seiner Nase gehangen hatte. Was hätte er da noch überlegen sollen! Der appetitliche Brocken schaukelte über ihm und ruckte dann plötzlich an. Nein, er durfte unter keinen Umständen zulassen, daß der Bissen entschwand. Deshalb hatte er, ausgehungert wie er war, zugeschnappt.
Da bin ich also von der Irena geflohen, um auf meinem eigenen Planeten im Zoo eingesperrt zu werden, dachte der Löwe betrübt. Nun muß ich wohl den Rest meines Lebens damit zubringen, den Gaffern Angst einzujagen und mich von den Kindern bestaunen zu lassen. Ach, was soll’s, sagte er sich schließlich, erst mal abwarten. Wenigstens brauche ich hier nicht zu verhungern und zu verdursten. Wer weiß, was mir in der Wüste zugestoßen wäre.
Während Grau seinen wenig freudigen Gedanken nachhing, überlegte Ilsor unablässig, wie er sich mit dem Löwen verständigen könnte. Doch dann fielen ihm die Ranwische ein, kleine, unwahrscheinlich kluge Tiere, die ihnen und dem Jungen Chris Tall aus Kansas schon einmal geholfen hatten. Vielleicht gelang es mit ihrer Unterstützung, den Löwen zum Sprechen zu bringen!
Und in der Tat war es für Grau ein ungeheurer Glücksfall, daß die drei unzertrennlichen Puschel, wie die Tiere auch genannt wurden, mit Namen Mou, Rou und Gou ihren Besuch auf der Erde bereits beendet hatten. Nach der Entmachtung der Menviten waren sie ja mit Chris dorthin gefahren, aber inzwischen zurückgekehrt. Nun hatten sie nichts Eiligeres zu tun, als dieses seltene Exemplar von einem Löwen zu beäugen.
Vor dem Käfig angelangt, hielten sie sich zunächst in sicherer Entfernung: Der Löwe flößte Respekt ein. Der braucht ja nur die Pfote auf einen von uns zu legen, schon bleibt ihm die Luft weg, dachte jeder der Puschel bei sich. Doch im Grunde wäre es Grau schwerlich gelungen, eines dieser flinken Tierchen zu fangen. Aber das lag ihm auch fern, seine traurige Schnauze deutete vielmehr darauf hin, daß ihn ganz andere Gedanken quälten.
»Ich kann’s dir ja nachfühlen«, sagte Gou leise, »wer hockt schon gern im Käfig!«
Für die quirligen Puschel war es nämlich unvorstellbar, auch nur eine Minute still auf einem Fleck zu sitzen. Wie schlimm mußte es da erst sein, stunden- und sogar tagelang eingesperrt zu sein!
Doch die Ranwische merkten bald, daß der Löwe ihnen nichts Böses wollte, und
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