Die Gefangenen des Korallenriffs
immer wieder ins Feld.
»Überredet«, erwiderte Kau-Ruck lächelnd, »doch diesmal veranstalten wir kein Wettrennen mit ihm, einverstanden? Es gibt für einen Löwen weiß Gott schmackhaftere Dinge als die Landekufe eines Hubschraubers.«
Der Helikopter hing nun genau über dem Lüftungsschacht. Die Luke auf der Unterseite der Maschine fuhr auf, und an einem festen Seil wurde das Mittagsmahl des Löwen herabgelassen.
Der Pilot manövrierte dabei so meisterhaft, daß der Fleischbrocken direkt über der Schachtöffnung schwebte.
Der Löwe ließ nicht lange auf sich warten. Aufgeweckt durch den Lärm der Rotoren und das herrlich duftende Fleisch, sprang er mit einem Satz ins Freie.
Der Hubschrauber flog kaum merklich zur Seite, um das Tier ein Stück von der Höhle wegzulocken.
»Na fang schon, Kätzchen, fang!« rief Sor übermütig.
Der Löwe setzte sich, als hätte er die Worte gehört, auf die Hinterbeine und schoß dann wie eine Sprungfeder in die Höhe. Sekunden später machte er sich über seine Beute her.
»Nicht übel!« lobte der Zoodirektor. »Ein Prachtexemplar von Höhlenlöwe!«
»Das kann man wohl sagen«, stimmte Kau-Ruck zu. »Unser Tierchen hat Ihrem ausgestopften einiges voraus.«
Man sah dem Löwen an, wie ausgehungert er war. Er riß hastig Stück um Stück von dem Fleischbatzen, erst nach und nach wurden seine Bewegungen träger und weniger hektisch. Schließlich warf er einen zufriedenen Blick in die Runde, vergewisserte sich, daß niemand ihm seinen Reichtum streitig machen würde, und streckte sich neben den Überresten seines Mahls aus, wobei er vorsichtshalber seine gewaltige Pranke darüber legte. Die heiße Sonne, der volle Magen und nicht zuletzt das Schlafmittel taten schon bald das Ihre: Der Löwe schlummerte friedlich ein.
Sobald der Schlaf das Tier endgültig übermannt hatte, setzte der Hubschrauber neben ihm auf. Die Männer holten ein großes, kräftiges Netz hervor und breiteten es neben dem Löwen aus. Danach versuchten sie, zunächst ganz vorsichtig, dann aber immer mehr in Eifer geratend, den mächtigen Körper auf das Netz zu rollen. Doch nichts da! Wie sehr sie den Löwen auch an Vorder- und Hinterbeinen zerrten, er ließ sich keinen Deut bewegen.
»Wir müssen es anders anstellen«, sagte Kau-Ruck schließlich. »Gebt mir mal das Ende der Trosse, an der wir das Fleisch heruntergelassen haben.«
Er legte das Seil als Schlinge um die vier Pfoten des Löwen, der auf der Seite ruhte, und wies den Piloten an, die Maschine ganz sacht um ein, zwei Meter fortzubewegen. Diesmal gelang das Vorhaben!
Der Löwe rollte langsam auf die andere Seite und lag nun auf dem Netz. Er mußte nur noch fest als Paket darin verschnürt und das Ganze an den Hubschrauber gehakt werden, dann konnte der Transport losgehen.
Die Männer stiegen wieder in den Helikopter, der beim Anlassen des Motors und dem einsetzenden Drehen der Rotoren zu zucken und beben begann wie ein Rennpferd vor dem Start. Dann glitt er sanft in die Höhe. Der Pilot bemühte sich dabei, so gerade aufzusteigen, daß der Löwe nicht erst durch den Sand geschleift wurde. Gleichzeitig mußten sie darauf achten, daß die Trosse im Augenblick der Anspannung nicht riß und das Tier hinunterfiel. Deshalb flogen sie in den ersten Minuten auch ziemlich tief.
Doch alles klappte ausgezeichnet. Der Pilot hob den Vierbeiner sanft wie einen Säugling an, und los ging’s in Richtung Stadt. Der Höhlenlöwe aber schlief in seiner luftigen Wiege wie in einer Hängematte. Das Netz schaukelte leicht hin und her, lullte ihn ein. So langten sie dann auch im Zoo an: der Direktor im Hubschrauber und sein neuer Schützling in der »Hängematte«.
Ein großer, geräumiger Käfig wartete schon auf den neuen Gast. Die Gitterdecke war vorübergehend abgenommen worden, damit der Löwe bequem hineinbugsiert werden konnte. Auch das klappte ohne Zwischenfälle. Dann wurde der Käfig oben wieder geschlossen, die Beteiligten atmeten erleichtert auf.
IM KÄFIG
Die Nachricht, daß man einen echten Höhlenlöwen gefangen hatte, verbreitete sich in Windeseile in der ganzen Stadt. Das Tier, noch immer schlafend, lag kaum in seinem Käfig, als die neugierigen Städter auch schon in Scharen herbeigeströmt kamen. Einen solchen Andrang hatte der Direktor in seiner mehr als zehnjährigen Amtszeit noch nicht erlebt. Er stand höchst zufrieden neben dem Käfig und gab Erläuterungen, denn er wußte so ziemlich alles über diese Löwen: wann sie gelebt und
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