Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)
Fenster hinter seinem Kopf Mr. Hatch sah, der über das freie Feld hinter dem Garten ging und die dunklen, verschnörkelten Trümmer des Malacca-Stuhls zum Müllhaufen trug.
So beunruhigend sie waren, diese hysterischen Ausbrüche ereigneten sich nicht oft. Aber sie ließen erkennen, wie aufgebracht Bunny war und wie unangenehm er werden konnte, wenn er sich provoziert sah. Auf Henry war er am wütendsten, Henry, der ihn verraten hatte, und Henry war immer der Gegenstand dieser Ausbrüche. Aber auf eine komische Weise war es auch Henry, den er im Alltag am besten ertragen konnte. Allen anderen, sogar mir gegenüber, zeigte er sich mehr oder weniger ständig gereizt. So mochte er
gelegentlich explodieren, weil Francis irgendeine Bemerkung gemacht hatte, die er prätentiös fand, oder er geriet in unerklärliche Wut, weil Charles sich erbot, ihm ein Eis zu spendieren; aber solche kleinlichen Zankereien brach er bei Henry nicht ganz auf die gleiche triviale und mutwillige Art vom Zaun. Und das trotz der Tatsache, daß Henry sich nicht annähernd so viel Mühe machte, ihn zu besänftigen, wie alle anderen. Wenn das Thema der Flußreise zur Sprache kam – und das geschah ziemlich oft –, spielte Henry nur sehr oberflächlich mit, und seine Antworten klangen mechanisch und gezwungen. Mich selbst überlief es bei Bunnys zuversichtlicher Vorfreude kälter als bei jedem Ausbruch: Wie konnte er sich nur der Illusion hingeben, daß diese Reise je zustande kommen würde – oder daß sie, wenn sie zustande käme, irgend etwas anderes als ein Alptraum werden könnte? Aber Bunny plapperte fröhlich wie ein Irrenhausspezialist stundenlang über seine Phantasien von der Riviera, ohne je zu bemerken, daß Henrys Unterkiefer eine gewisse Anspannung zeigte oder daß sich ein leeres, unheilvolles Schweigen herabsenkte, wenn er zu Ende geredet hatte und, das Kinn in die Hand gestützt, träumerisch ins Weite starrte.
Meistens hatte es den Anschein, daß er seine Wut auf Henry im Umgang mit seinen Mitmenschen sublimierte. Er war beleidigend und grob und fing im Handumdrehen Streit mit beinahe jedermann an. Berichte über sein Benehmen erreichten uns durch verschiedene Kanäle. Er schleuderte einen Schuh auf ein paar Hippies, die vor seinem Fenster Hackysack spielten. Er beschuldigte den Jungen, der neben ihm wohnte, seine Zahnpasta gestohlen zu haben, und fing beinahe eine Schlägerei mit ihm an. Er bezeichnete eine Dame im Büro des Schatzmeisters als Troglodyte. Ich glaube, es war unser Glück, daß zu seinem ausgedehnten Bekanntenkreis nur wenige Leute gehörten, die er regelmäßig traf. Julian bekam ihn so oft zu sehen wie jeder andere, aber ihre Beziehung reichte nicht weit über das Klassenzimmer hinaus. Lästiger war seine Freundschaft mit seinem alten Schulkameraden Cloke Rayburn, und am lästigsten war Marion.
Wir wußten, daß Marion die Veränderung in Bunnys Benehmen ebenso deutlich bemerkte wie wir und daß sie verwirrt und erbost war. Wenn sie gesehen hätte, wie er sich in unserer Gesellschaft aufführte, dann hätte sie zweifellos erkannt, daß sie nicht der Grund dafür war; aber wie die Dinge lagen, sah sie nur die nicht eingehaltenen Verabredungen, die Stimmungsumschwünge, die
Verdrossenheit und den irrationalen Jähzorn, und das alles schien sich ausschließlich gegen sie zu richten. Traf er sich mit einem anderen Mädchen? Wollte er Schluß machen? Eine Bekannte aus dem Vorschulzentrum erzählte Camilla, daß Marion eines Tages von der Arbeit aus sechsmal bei Bunny angerufen und daß er beim letzten Mal einfach aufgelegt habe.
»Gott, lieber Gott, mach, daß sie ihn vor die Tür setzt«, bat Francis mit himmelwärts verdrehten Augen, als ihm diese Neuigkeit zu Ohren kam. Keiner von uns äußerte sich weiter dazu, aber wir beobachteten die beiden aufmerksam und beteten, daß es geschehen möge. Solange er bei Sinnen war, würde Bunny sicher den Mund halten; aber jetzt, wo sein Unterbewußtsein aus der Halterung geflogen war und ziellos wie eine Fledermaus durch die hohlen Korridore seines Schädels flatterte, konnte man überhaupt nicht mit Sicherheit sagen, was er tun würde.
Cloke sah er weniger häufig. Er und Bunny hatten außer der Schule wenig miteinander gemeinsam, und Cloke – der mit einer wilden Clique herumlief und außerdem eine Menge Drogen nahm – hatte ziemlich viel mit sich selbst zu tun, und es war kaum anzunehmen, daß er sich ausführlicher mit Bunnys Benehmen beschäftigen oder
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