Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)
Bunny kreischen; dann folgte ein Krachen, als ob Bücher vom Schreibtisch auf den Boden gefegt würden. »Alles scheißegal außer dir selbst – dir und dem Rest der Bande ... Ich wüßte gern, was Julian davon halten würde, du Dreckskerl, wenn ich ihm ein paar von diesen – faß mich nicht an!« quiekte er. »Hau ab ... !«
Wieder krachte es, als würden Möbel umgeworfen, und dann war Henrys Stimme zu hören; er redete schnell und wütend. Bunnys Stimme übertönte ihn. »Na los doch !« brüllte er so laut, daß er sicher das ganze Haus damit aufweckte. »Versuch doch, mich aufzuhalten. Ich hab’ keine Angst vor dir. Du kotzt mich an, du Schwuchtel, du Nazi, du dreckiger lausiger geiziger Judd ... !«
Und noch ein Krachen, diesmal von splitterndem Holz. Eine Tür flog zu. Schnelle Schritte rannten durch den Korridor, und dann ein ersticktes Schluchzen – atemloses, schreckliches Schluchzen, das lange Zeit anhielt.
Gegen drei, als alles still war und ich allmählich wieder einschlief, hörte ich leise Schritte im Gang, und dann, nach einer kurzen Pause, klopfte es an meine Tür. Es war Henry.
»Meine Güte«, sagte er konfus und schaute sich in meinem Zimmer um; sein Blick wanderte über das ungemachte Pfostenbett und meine Kleider, die davor auf dem Teppich verstreut lagen. »Ich bin froh, daß du noch wach bist. Ich hab’ dein Licht gesehen.«
»Herrgott, was war denn los?«
Er fuhr sich mit der Hand durch das zerzauste Haar. »Was glaubst du wohl?« fragte er und sah mich ausdruckslos an. »Ich weiß es eigentlich gar nicht. Ich muß irgend etwas gesagt haben, was ihn in Raserei versetzt hat, obwohl ich beim besten Willen nicht weiß, was das war. Ich habe in meinem Zimmer gelesen. Da kam er herein und wollte ein Wörterbuch. Genau gesagt, er wollte, daß ich etwas nachschlage, und – du hast nicht zufällig ein Aspirin, oder?«
Ich setzte mich auf meine Bettkante und wühlte in der Nachttischschublade zwischen Taschentüchern und Lesebrillen und Flugblättern der Christian Science, die einer von Francis’ alten Tanten gehörten. »Ich finde keine«, sagte ich. »Was ist denn passiert?«
Er seufzte und ließ sich schwer in einen Sessel fallen. »In meinem Zimmer ist Aspirin«, sagte er. »In einer Dose in meiner Manteltasche. Da ist auch noch ein Pillendöschen aus blauem Email. Und meine Zigaretten. Holst du sie mir?«
Er war so bleich und erschüttert, daß ich mich fragte, ob er krank sei. »Was ist denn los?« fragte ich.
»Ich will da nicht hineingehen.«
»Warum nicht?«
»Weil Bunny auf meinem Bett liegt und schläft.«
Ich starrte ihn an. »Ja, du lieber Gott«, sagte ich, »ich werde nun wirklich nicht ...«
Er winkte müde ab. »Es ist okay. Wirklich. Ich bin nur zu aufgeregt, um selbst zu gehen. Er schläft fest.«
Ich ging leise aus dem Zimmer und den Gang hinunter. Henrys Zimmertür war am anderen Ende. Als ich davor stehenblieb und eine Hand auf den Knopf legte, hörte ich von drinnen deutlich das eigentümlich pustende Geräusch von Bunnys Schnarchen.
Trotz allem, was ich zuvor gehört hatte, war ich nicht vorbereitet auf das, was ich sah: Bücher waren wüst über den Boden verstreut, der Nachttisch war umgeworfen, und an der Wand lagen mit gespreizten Beinen die Trümmer eines schwarzen Malacca-Stuhls. Der Schirm einer Stehlampe hing schief und warf ein irres, verqueres Licht durch das Zimmer. Und mitten drin Bunny. Sein Gesicht ruhte in der Ellenbeuge seiner Tweedjacke, und der eine Fuß, der immer noch in seinem spitzen, schwarzweißen Schuh steckte, baumelte über die Bettkante. Sein Mund stand offen, die Augen waren geschwollen und seltsam unvertraut ohne die Brille, und er schniefte und grummelte im Schlaf. Ich raffte Henrys Sachen zusammen und lief hinaus, so schnell ich konnte.
Bunny kam am nächsten Morgen spät herunter, mürrisch und mit verquollenen Augen, als Francis, die Zwillinge und ich schon beim Frühstück saßen. Er ignorierte unsere Begrüßung und ging geradewegs zum Schrank, wo er sich eine Schüssel Sugar Frosted Flakes machte; dann setzte er sich wortlos an den Tisch. In der plötzlichen Stille hörte ich, wie Mr. Hatch zur Haustür hereinkam. Francis entschuldigte sich und lief hinaus, und ich hörte, wie die beiden im Flur murmelnd miteinander sprachen, während Bunny verdrossen seine Flakes mümmelte. Ein paar Minuten vergingen. Ich schaute verstohlen zu Bunny hinüber, der über seiner Schüssel hing, als ich plötzlich durch das
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