Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)
niemand hat ihn gesehen, und er ist nicht in seinem Zimmer, und da ist was Unheimliches im Gange, aber ich schwör’ dir, ich weiß nicht, was ... Nicht mal Speed rühr’ ich mehr an. Man wird total zappelig. Übrigens, ich wollte dich schon fragen, was hast du mit deinem Auge gemacht?«
Als ich mit den Zwillingen bei Francis war – Henry aß mit den Corcorans zu Mittag –, berichtete ich ihnen, was Judy mir erzählt hatte.
»Aber ich kenne diesen Spiegel«, sagte Camilla.
»Ich auch«, sagte Francis. »Ein fleckiger, alter, dunkler. Bunny hatte ihn schon eine ganze Weile in seinem Zimmer.«
»Ich dachte, er gehört ihm.«
»Ich frage mich, wie er ihn bekommen hat.«
»Wenn das Mädchen ihn in einem Aufenthaltsraum gelassen hatte«, sagte Charles, »hat er ihn vielleicht gefunden und einfach mitgenommen.«
Und das war gar nicht unwahrscheinlich, wenn man Bunny kannte.
Sosehr die Dinge für Laura Stora auch im argen lagen, für den Pechvogel Cloke standen sie noch schlechter. Wir sollten später erfahren, daß er Bram Guernseys Wagen nicht aus freien Stücken zurückgebracht hatte; die FBI-Agenten hatten ihn dazu gezwungen, nachdem sie ihn keine zehn Meilen hinter Hampden hatten stoppen lassen. Sie nahmen ihn mit in den Seminarraum, in dem sie ihr Hauptquartier eingerichtet hatten, und behielten ihn am Sonntag fast die ganze Nacht dort; ich weiß zwar nicht, was da im einzelnen geschah, aber ich weiß, daß er am Montag morgen verlangte, die Vernehmung in Gegenwart eines Anwaltes fortzusetzen.
Mrs. Corcoran (berichtete Henry) war empört darüber, daß jemand gewagt hatte anzudeuten, Bunny könnte Drogen genommen haben. Beim Lunch in der Brasserie hatte sich ein Reporter an den Tisch der Corcorans herangeschlichen und sie gefragt, ob sie zu dem »Rauschgift-Zubehör«, das man in Bunnys Zimmer gefunden hatte, einen Kommentar abzugeben hätten.
Mr. Corcoran war erschrocken gewesen, hatte die Brauen eindrucksvoll zusammengezogen und gesagt: »Nun, selbstverständlich, äh, ähem«, aber Mrs. Corcoran hatte mit unterdrückter Gewalttätigkeit an ihrem Steak au poivre herumgesäbelt und, ohne aufzublicken, eine ätzende Tirade losgelassen. Rauschgift-Zubehör, wie man es zu bezeichnen beliebe, sei kein Rauschgift, und es sei bedauerlich, da die Presse sich nicht versage, Anschuldigungen gegen Personen zu richten, die nicht zugegen seien, um sich zu verteidigen; sie habe es schon schwer genug, ohne daß Fremde sie
mit Andeutungen belästigten, ihr Sohn könne ein Drogendealer sein. Das alles war mehr oder weniger vernünftig und wahr, und die Post gab es am nächsten Tag pflichtschuldig Wort für Wort wieder neben einem wenig schmeichelhaften Foto von Mrs. Corcoran mit offenem Mund und einer Überschrift, die lautete: MOM SAGT: MEIN SOHN NICHT.
Montag nacht, gegen zwei Uhr morgens, bat Camilla mich, sie von Francis nach Hause zu begleiten. Henry war schon gegen Mitternacht gegangen, und Francis und Charles, die seit vier Uhr nachmittags heftig tranken, schienen noch immer nicht genug zu haben. Sie hatten sich im Dunkeln in Francis’ Küche eingegraben und bereiteten sich mit einer Ausgelassenheit, die ich alarmierend fand, nacheinander mehrere Cocktails von der gefährlichen Sorte namens »Blue Blazer«, bei der man angezündeten Whiskey in einem Flammenbogen zwischen zwei Zinnbechern hin- und herschütten muß.
Zu Hause angekommen, lud mich Camilla – fröstelnd, gedankenversunken und mit vor Kälte fiebrig roten Wangen – ein, auf eine Tasse Tee mit hinaufzukommen. »Ich bin nicht sicher, ob wir sie allein lassen durften«, meinte sie. »Ich fürchte, sie zünden sich gegenseitig an.«
»Denen passiert schon nichts«, sagte ich, obwohl mir der gleiche Gedanke auch schon gekommen war.
Wir tranken unseren Tee. Das Lampenlicht war warm, und in der Wohnung war es still und behaglich. Daheim im Bett, in meiner privaten Höhle der Sehnsucht, begannen die Stunden, von denen ich träumte, immer so wie diese schläfrig-trunkene Stunde, wir beide allein, Szenarien, in denen sie mich unweigerlich wie unabsichtlich streifte oder sich, um mir eine Stelle in einem Buch zu zeigen, angenehm nah herüberlehnte, so daß ihre Wange die meine berührte – Gelegenheiten, die ich sanft, aber mannhaft als Einleitung zu heftigeren Freuden nutzte.
Die Teetasse war zu heiß; ich verbrannte mir die Fingerspitzen. Ich stellte sie hin und sah Camilla an, wie sie gedankenverloren eine Zigarette rauchte,
Weitere Kostenlose Bücher