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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Gefühl hat, es könnte dich aufregen.«
    Ein Schlüssel wurde ins Schloß gefummelt, und ein paar Augenblicke
später stolperte Charles durch die Tür. Er wand die Schultern aus dem Mantel und ließ ihn einfach auf den Teppich fallen.
    »Hallo, hallo«, sang er, schwankte herein und schälte sich in gleicher Weise aus der Jacke. Er kam aber nicht ins Wohnzimmer, sondern wandte sich mit einem jähen Schwenk durch die Diele den Schlafzimmern und dem Bad zu. Eine Tür öffnete sich, dann noch eine. »Milly, mein Mädchen«, hörte ich ihn rufen. »Wo bist du, Honey?«
    »O mein Gott«, sagte Camilla, und laut rief sie: »Wir sind hier drin, Charles.«
    Charles kam zurück. Seine Krawatte war jetzt gelockert, sein Haar wirr. »Camilla«, sagte er und lehnte sich an den Türrahmen. »Camilla.« Dann sah er mich.
    »Du«, sagte er nicht allzu höflich. »Was machst du denn hier?«
    »Wir trinken Tee«, sagte Camilla. »Möchtest du auch welchen?«
    »Nein.« Er drehte sich um und verschwand wieder im Flur. »Schon zu spät. Geh schlafen.«
    Eine Tür wurde zugeknallt. Camilla und ich sahen einander an. Ich stand auf.
    »Tja«, sagte ich, »ich gehe dann wohl besser nach Hause.«
     
    Es gab immer noch Suchtrupps, aber die Zahl der Teilnehmer aus der Stadt war dramatisch geschrumpft, und es waren fast keine Studenten mehr dabei. Die Operation hatte plötzlich straffe, geheimnisvolle, professionelle Formen angenommen.
    Ich hörte, daß die Polizei eine Hellseherin hinzugezogen hatte, einen Fingerabdruckexperten und eine Meute spezieller, in Dannemora ausgebildeter Bluthunde. Vielleicht weil ich mir einbildete, ich sei mit irgendeiner geheimen Verunreinigung besudelt, nicht wahrnehmbar für die meisten, aber vielleicht so, daß eine Hundenase es wittern konnte (im Kino ist es immer der Hund, der als erster den geschmeidigen und unverdächtigen Vampir als das erkennt, was er ist) – vielleicht deshalb machte der Gedanke an die Bluthunde mich abergläubisch, und ich bemühte mich, einen möglichst großen Abstand zu Hunden zu halten, zu allen Hunden, selbst zu den schusseligen dicken Labradors, die dem Keramiklehrer gehörten und die immer mit hängender Zunge herumstreiften und nach einem Frisbee-Spiel Ausschau hielten. Henry – der sich vielleicht eine bebende Kassandra vorstellte, die vor einem Chor von Polizisten ihre Prophezeiungen stammelte – machte sich sehr viel größere Sorgen wegen der Hellseherin. »Wenn sie uns finden«,
sagte er mit düsterer Gewißheit, »dann wird es auf diese Weise geschehen.«
    »Du glaubst doch wohl nicht wirklich an dieses Zeug.«
    Er warf mir einen unbeschreiblich verachtungsvollen Blick zu.
    »Du erstaunst mich«, sagte er. »Du glaubst, nichts existiert, wenn du es nicht sehen kannst.«
    Die Hellseherin war eine junge Mutter aus dem Staat New York. Ein Elektroschock aus einem Starkstromkabel hatte sie ins Koma gestürzt, und als sie drei Wochen später daraus erwacht war, hatte sie Dinge »gewußt«, wenn sie einen Gegenstand betastete oder die Hand eines Fremden berührte. Die Polizei hatte sich bei mehreren Vermißtenfällen erfolgreich von ihr beraten lassen. Einmal hatte sie die Leiche eines erwürgten Kindes gefunden, indem sie lediglich auf eine Stelle auf einer Vermessungskarte gedeutet hatte. Henry, der so abergläubisch war, daß er manchmal ein Schälchen Milch vor die Tür stellte, um böswillige Geister zu besänftigen, die vielleicht zufällig vorbeikamen, beobachtete sie fasziniert, als sie allein am Rand des Campus entlangwanderte – mit dicken Brillengläsern und einem kurzen Automantel, das rote Haar mit einem gepunkteten Tuch hochgebunden.
    »Es ist schade«, sagte er. »Ich wage nicht, ihr über den Weg zu laufen. Aber ich würde mich sehr gern mit ihr unterhalten.«
     
    Gegen halb fünf an diesem Nachmittag erschien Charles in meinem Zimmer. »Hallo«, sagte er. »Willst du was essen?«
    »Wo ist denn Camilla?«
    »Irgendwo, ich weiß es nicht«, sagte er. Der Blick seiner blassen Augen huschte durch mein Zimmer. »Kommst du mit?«
    »Äh ... ja, klar«, sagte ich.
    Seine Miene hellte sich auf. »Gut. Ich hab’ ein Taxi unten.«
     
    Charles ließ das Taxi zu einer Bar namens »Farmer’s Inn« fahren. Sie war nicht bemerkenswert, weder in Hinsicht auf das Essen noch auf die Einrichtung – Klappstühle und Kunststofftische – oder auf die wenigen Gäste, hauptsächlich Landbewohner, betrunken und über fünfundsechzig. Der einzige Grund, warum Charles

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