Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)
Wärme, mit der er es sagte, und von der Kraft, mit der er den Händedruck erwiderte.
Mr. Corcoran schlang ihm einen massigen Arm um den Hals und zog ihn an sich. »Das hier ist mein Junge«, sagte er zu Sophie und mir, und dabei hob er die Hand und zerzauste Francis das Haar. »Alle meine Brüder waren rothaarig, und unter meinen Söhnen ist kein einziger ehrlicher Rotschopf. Begreife das nicht. Wer bist du, mein Schatz?« fragte er Sophie, löste seinen Arm und griff nach ihrer Hand.
»Hallo, ich bin Sophie Dearbold.«
»Na, du bist aber mächtig hübsch. Ist sie nicht hübsch, Jungs? Du siehst ganz so aus wie deine Tante Jean, Honey.«
»Was?« fragte Sophie nach einer verwirrten Pause.
»Na, deine Tante, Honey. Die Schwester deines Daddys. Diese hübsche kleine Jean Lickford, die letztes Jahr draußen im Club das Damenturnier gewonnen hat.«
»Nein, Sir. Dearbold.«
»Dearfold. Na, ist das nicht komisch? Ich kenne keine Dearfolds hier in der Gegend. Also, ich kannte mal einen Burschen namens Breedlow, aber das muß, na, an die zwanzig Jahre her sein. Er war Geschäftsmann. Es hieß, er hätte coole fünf Millionen von seinem Partner unterschlagen.«
»Ich bin nicht aus dieser Gegend.«
Er zog eine Braue hoch; seine Art erinnerte an Bunny. »Nicht?« sagte er.
»Nein.«
»Nicht aus Shady Brook?« Er sagte es, als könne er es kaum glauben.
»Nein.«
»Woher kommst du dann, Honey? Aus Greenwich?«
»Aus Detroit.«
»Na, der Himmel segne dich. Von so weit her zu kommen.«
Sophie schüttelte lächelnd den Kopf und setzte zu einer Erklärung an, als Mr. Corcoran ihr absolut ohne jede Vorwarnung die Arme um den Hals warf und in Tränen ausbrach.
Wie waren starr vor Entsetzen. Sophies Augen starrten rund und fassungslos über seine zuckende Schulter, als habe er ihr ein Messer in den Leib gerannt.
»Oh, Darling«, heulte er, das Gesicht tief in ihrem Hals vergraben, »wie werden wir bloß ohne ihn auskommen?«
»Kommen Sie, Mr. Corcoran«, sagte Francis und zupfte ihn am Ärmel.
»Wir haben ihn sehr geliebt, Honey«, schluchzte Mr. Corcoran. »Nicht wahr? Er hat dich auch geliebt. Er würde wollen, daß du das weißt. Du weißt das, nicht wahr, Kind?«
»Mr. Corcoran.« Francis packte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn heftig. »Mr. Corcoran.«
Da drehte er sich um und ließ sich brüllend gegen Francis fallen.
Ich lief um die beiden herum, und es gelang mir, seinen Arm um meinen Hals zu ziehen. Die Knie knickten ihm ein; fast hätte er mich umgerissen, aber irgendwie brachten Francis und ich es unter seinem Gewicht taumelnd fertig, ihn auf den Beinen zu halten, und zusammen manövrierten wir ihn ins Haus und torkelten mit ihm durch den Flur (»Oh, Scheiße«, hörte ich Sophie murmeln. »Scheiße .«), bis wir ihn in einen Sessel setzen konnten.
Er weinte immer noch. Sein Gesicht war puterrot. Als ich mich über ihn beugte, um seinen Kragen zu lockern, packte er mich beim Handgelenk. »Fort«, heulte er und sah mir in die Augen. »Mein Baby.«
Sein stierer Blick – hilflos und wild – traf mich wie ein Schlagstock. Plötzlich, und eigentlich zum erstenmal, erfaßte mich die bittere und unwiderrufliche Wahrheit, das Böse dessen, was wir getan hatten. Es war, als raste ich in vollem Tempo gegen eine Mauer. Ich ließ seinen Kragen los und fühlte mich absolut hilflos. Ich wollte sterben. »O Gott«, murmelte ich, »Gott, hilf mir, es tut mir leid ...«
Ich bekam einen heftigen Tritt gegen den Fußknöchel. Es war Francis. Sein Gesicht war kalkweiß.
Ein Lichtstrahl splitterte schmerzhaft vor meinen Augen. Ich umklammerte die Sessellehne, schloß die Augen und sah ein rotes Leuchten, als das rhythmische Geräusch seines Schluchzens wieder und wieder auf mich herabfiel wie ein Knüppel.
Dann, ganz abrupt, hörte es auf. Alles war still. Ich öffnete die Augen. Mr. Corcoran – dem die letzten Tränen noch über die Wangen rannen, der aber sonst völlig gefaßt aussah – betrachtete interessiert eine Spanielwelpe, die verstohlen an seiner Schuhspitze nagte.
»Jennie «, sagte er streng. »Böses Mädchen. Hat Mama dich denn nicht rausgesetzt? Hm?«
Mit einem gurrenden Babylaut bückte er sich; er hob den kleinen Hund, der wild mit den Pfoten durch die Luft paddelte, hoch und trug ihn hinaus.
»Jetzt aber los«, hörte ich ihn munter rufen. »Ab mit dir.«
Irgendwo knarrte ein Fliegengitter. Einen Augenblick später war er wieder da, ruhig, strahlend, ein Dad aus einer
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