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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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wenn ein Angestellter etwas Derartiges schickt. Ich frage mich, ob Bob daran denkt, dich um eine Gehaltserhöhung zu bitten.«
    »Aber Schatz ...«
    »Die Pflanzen hier sind auch unglaublich«, sagte sie und bohrte einen Zeigefinger in die Erde. »Das Usambaraveilchen ist fast verwelkt. Louise würde in den Boden versinken, wenn sie das wüßte.«
    »Es kommt doch auf die gute Absicht an.«
    »Ich weiß, aber trotzdem – wenn ich eines daraus gelernt habe, dann dies, daß ich bei ›Sunset Florists‹ nie wieder Blumen bestellen werde. Die Sachen von ›Tina’s Flowerland‹ sind alle so viel hübscher. Francis «, sagte sie in dem gleichen gelangweilten Tonfall und ohne aufzublicken. »Du warst seit Ostern nicht mehr bei uns.«
    Francis nahm einen Schluck Bier. »Oh, aber mir ist es prima gegangen«, sagte er gekünstelt. »Wie geht es Ihnen?«
    Sie seufzte und schüttelte den Kopf. »Es war furchtbar hart«, sagte sie »Wir versuchen alle, nach und nach damit fertig zu werden. Mir war bis jetzt nie klar, wie schwer es für eine Mutter sein kann, einfach loszulassen und ... Henry, bist du das?« rief sie scharf, als sie ein Füßescharren auf dem Treppenabsatz hörte.
    Stille. »Nein, Mom, bloß ich.«
    »Geh ihn suchen, Pat, und sag ihm, er soll herunterkommen«, rief sie und wandte sich wieder Francis zu. »Wir haben heute morgen einen wunderschönen Strauß Lilien von deiner Mutter bekommen. Wie geht es ihr?«
    »Oh, gut. Sie ist jetzt in der Stadt. Es hat sie wirklich sehr aufgeregt«, fügte er unbehaglich hinzu, »als sie das von Bunny hörte.« (Francis hatte mir erzählt, daß sie am Telefon hysterisch geworden war und ein Beruhigungsmittel hatte nehmen müssen.)
    »Sie ist eine so nette Person«, sagte Mrs. Corcoran zuckersüß. »Es hat mir so leid getan, als ich hörte, daß sie ins Betty-Ford-Center gehen mußte.«
    »Da war sie nur zwei Tage«, sagte Francis.
    Sie zog eine Braue hoch. »Ach? Hat sie so gute Fortschritte gemacht, ja, ich habe ja immer wieder gehört, es sei eine so ausgezeichnete therapeutische Anstalt.«
    Francis räusperte sich. »Na, eigentlich ist sie hingegangen, um sich zu erholen. Das tun ziemlich viele Leute, wissen Sie.«
    Mrs. Corcoran machte ein überraschtes Gesicht. »Oh, es macht dir nichts aus, darüber zu reden?« sagte sie. »Ich finde, das sollte es auch nicht. Ich finde es sehr modern von deiner Mutter, zu erkennen, daß sie Hilfe brauchte. Vor gar nicht allzu langer Zeit pflegte man Probleme dieser Art einfach nicht zuzugeben. Als ich klein war ...«
    »Ah, wenn man vom Teufel spricht«, dröhnte Mr. Corcoran.
    Henry kam im dunklen Anzug die knarrende Treppe herunter; sein Schritt war steif und gemessen.
    Francis stand auf, ich ebenfalls. Er ignorierte uns.
    »Komm rein, mein Junge«, sagte Mr. Corcoran. »Schnapp dir ein Bierchen.«
    »Vielen Dank, nein«, sagte Henry.
    Aus der Nähe sah ich erschrocken, wie bleich er war. Sein Gesicht sah bleiern und angespannt aus, und Schweißperlen standen ihm auf der Stirn.
    »Was habt ihr Jungs den ganzen Nachmittag da oben getrieben?« fragte Mr. Corcoran.
    Henry sah ihn blinzelnd an.
    »Hm?« fragte Mr. Corcoran freundlich. »Unanständige Magazine angeguckt? Ein Funkgerät gebastelt?«
    Henry fuhr sich mit der Hand über die Stirn; ich sah, daß sie leicht zitterte. »Ich habe gelesen«, sagte er.
    »Gelesen? « wiederholte Mr. Corcoran, als habe er so etwas noch nie gehört.
    »Ja, Sir.«
    »Was denn? Was Gutes?«
    »Die Upanischaden.«
    »Na, du bist aber klug. Weißt du, ich hab’ unten im Keller auch ein ganzes Regal voll Bücher, wenn du mal gucken willst. Sogar ein paar alte Perry Masons dabei. Die sind ziemlich gut. Genau wie in der Fernsehserie, außer daß Perry sich da manchmal ein bißchen an Della ranmacht und ›verdammt‹ sagt.«
    Mrs. Corcoran räusperte sich.
    »Henry«, sagte sie geschmeidig und griff nach ihrem Glas. »Die jungen Leute möchten sicher gern sehen, wo sie schlafen. Vielleicht haben sie auch noch Gepäck im Auto.«
    »Jawohl.«
    »Sieh unten im Badezimmer nach, ob auch genug Waschlappen und Handtücher da sind. Wenn nicht, holst du welche aus dem Wäscheschrank im Flur.«
    Henry nickte, aber bevor er antworten konnte, tauchte Mr. Corcoran plötzlich hinter ihm auf. »Dieser Junge«, sagte er und schlug ihm auf den Rücken – ich sah, wie Henrys Hals sich straffte und seine Zähne sich in die Unterlippe gruben –, »so einen gibt’s nur einmal unter Millionen . Ist er nicht ein

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