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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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habe er ein paar zuviel getrunken.
    »Also, Kathy und ich«, verkündete er mit lauter, belehrender Stimme, »haben immer ein offenes Haus für junge Leute gehabt. Immer einen freien Platz am Tisch. Und zuallererst kommen sie mit ihren Problemen dann auch zu Kathy und mir. Wie dieser Bursche hier«, sagte er und gab Henry einen Schubs. »Ich werde nie vergessen, wie er eines Abends zu mir kam. ›Mack‹, sagte er – die Kids
nennen mich alle Mack – ›Mack, ich hätte gern Ihren Rat in einer Sache, so von Mann zu Mann.‹ – ›Nun, bevor du anfängst, mein Sohn‹, sagte ich, ›will ich dir nur eins sagen. Ich glaube, ich kenne euch Jungs ziemlich gut. Ich habe selbst fünf Stück großgezogen, und ich hatte vier Brüder zu Hause; also könnte man wohl sagen, ich bin eine ziemliche Autorität, was Jungs im allgemeinen angeht ... ‹«
    Und er faselte weiter von seinen betrügerischen Erinnerungen, während Henry, blaß und krank, sein Schubsen und Schulterklopfen ertrug, wie ein guterzogener Hund die Knü ffe eines groben Kindes erträgt.
     
    Ich hatte Cloke nicht restlos geglaubt, was er über die Medikamente gesagt hatte, die oben zu finden seien, aber als ich wieder mit ihm hinaufging, sah ich, daß er recht gehabt hatte. Durch das Schlafzimmer gelangte man in ein winziges Ankleidezimmer, und dort stand eine schwarze Lackkommode mit Unmengen von kleinen Fächern und einem winzigen Schlüssel, und in einem der Fächer war ein großes Glas mit Goodiva-Schokolade und eine säuberliche, wohlgeordnete Kollektion von bonbonfarbenen Pillen. Der Arzt, der sie verschrieben hatte – E. G. Hart, M. D., anscheinend ein sehr viel weichherzigerer Mensch, als sein Name vermuten ließ –, war äußerst großzügig, vor allem bei Amphetaminen. Ladies in Mrs. Corcorans Alter waren für gewöhnlich ziemlich heftig auf Valium und dergleichen, aber sie hatte genug Speed da, um eine ganze Horde von Hell’s Angels auf einen Verwüstungstrip quer durchs Land zu schicken.
    Ich war nervös. Das Zimmer roch nach neuen Kleidern und Parfüm; große Discospiegel an der Wand reproduzierten jede unserer Bewegungen in paranoider Vervielfältigung; es gab keinen Fluchtweg und keine denkbare Ausrede für das, was wir hier machten, sollte jemand hereinkommen. Ich behielt die Tür im Auge, während Cloke rasch und mit bewundernswerter Effizienz die Tablettenröhrchen inspizierte.
    Dalmane. Gelb und orange. Darvon. Rot und grau. Fiorinal. Nembutal. Miltown. Ich nahm zwei aus jedem Röhrchen, das er mir gab.
    »Was denn?« sagte er. »Willst du nicht mehr?«
    »Sie soll ja nichts merken.«
    »Scheiße«, sagte er, öffnete noch ein Röhrchen und schüttete sich die Hälfte des Inhalts in die Tasche. »Nimm, soviel du willst.
     
    Sie wird glauben, es war eine von ihren Schwiegertöchtern oder so. Hier, nimm was von diesem Speed hier«, sagte er und ließ mir fast den ganzen Rest aus dem Röhrchen in die flache Hand rieseln. »Das ist ’n tolles Zeug. Pharmazeutisch. Bei Examen kriegst du dafür zehn bis fünfzehn Dollar pro Hit. Locker.«
     
    Ich ging wieder hinunter. In meinen linken Jackentasche hatte ich lauter Upper, in der rechten lauter Downer. Francis stand unten an der Treppe. »Hör mal«, sagte ich, »weißt du, wo Henry ist?«
    »Nein. Hast du Charles gesehen?« Er war halb hysterisch.
    »Was ist denn los?« fragte ich.
    »Er hat meine Autoschlüssel geklaut.«
    »Was?«
    »Er hat die Autoschlüssel aus meiner Manteltasche genommen und ist abgehauen. Camilla hat gesehen, wie er aus der Einfahrt fuhr. Er hatte das Verdeck runtergeklappt. Der Wagen macht bei Regen sowieso Zicken, aber wenn er ... Scheiße.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Du weißt nichts darüber, oder?«
    »Ich hab’ ihn vor ungefähr einer Stunde gesehen. Mit Marion.«
    »Ja, mit der hab’ ich schon gesprochen. Er hat gesagt, er wolle Zigaretten holen gehen, aber das ist eine Stunde her. Du hast ihn gesehen? Du hast nicht mit ihm gesprochen?«
    »Nein.«
    »War er betrunken? Marion sagt, ja. Fandest du, daß er betrunken aussah?«
    Francis sah selbst ziemlich betrunken aus. »Nicht sehr«, sagte ich. »Komm, hilf mir Henry suchen.«
    »Ich sage doch, ich weiß nicht, wo er ist. Wieso suchst du ihn?«
    »Ich habe etwas für ihn.«
    »Was ist es? « fragte er auf griechisch. »Pharmakon? «
    »Ja.«
    »Na, dann gib mir auch was, um Gottes willen«, sagte er und schwankte glotzäugig nach vorn.
    Er war viel zu betrunken für Schlaftabletten. Ich

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