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Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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sie es in verschlossenen Badezimmern trieb.
    Sie schob sich an uns vorbei und ging die Treppe hinunter. Ich wollte ihr folgen, aber Cloke hustete vielsagend, und ich drehte mich um.
    Er lehnte sich an die Wand und sah mich an, als habe er mich durchschaut, seit ich auf die Welt gekommen war. »So«, sagte er. Sein Hemd war ungebügelt und hing aus der Hose; seine Augen waren rot, aber ich wußte nicht, ob er stoned oder bloß müde war. »Wie läuft’s denn?«
    Ich blieb an der Treppe stehen. Camilla war schon unten und konnte uns nicht hören. »Ganz gut«, sagte ich.
    »Was ist denn los?«
    »Inwiefern?«
    »Laßt euch lieber nicht von Kathy erwischen, wie ihr in ihrem Badezimmer rumvögelt. Die läßt euch zu Fuß zum Bus gehen.«
    Sein Ton war gleichgültig. Trotzdem fühlte ich mich an die Sache mit Monas Boyfriend erinnert, die ich eine Woche zuvor erlebt hatte. Aber Cloke war keine oder doch keine nennenswerte physische Bedrohung für mich, und außerdem hatte er genug eigene Probleme.
    »Hör mal«, sagte ich, »das siehst du falsch.«
    »Ist mir egal. Ich sag’s dir bloß.«
    »Na, ich sag’s dir auch . Ob du es glaubst oder nicht, ist mir egal.«
    Cloke wühlte träge in seiner Hosentasche und holte eine Pakkung Marlboro heraus, die so zerknautscht und plattgedrückt war, daß unmöglich noch eine Zigarette darin sein konnte. »Ich dachte mir, daß sie mit jemandem geht«, sagte er.
    »Herrgott noch mal.«
    Er zuckte die Achseln. »Ist nicht meine Sache.« Er fummelte eine verbogene Zigarette hervor und zerdrückte die leere Packung in der Hand. »Die Leute im College gingen mir auf die Nerven; deshalb hab’ ich bei ihnen auf der Couch geschlafen, bevor wir herkamen. Ich hab’ sie telefonieren hören.«
    »Und was hat sie gesagt?«
    »Oh, gar nichts, aber wenn sie da um zwei, drei Uhr morgens rumtuschelt, da fragt man sich schon ...« Er lächelte düster. »Ich schätze, die dachte, ich war hinüber, aber um die Wahrheit zu sagen, ich hab’ nicht allzu gut geschlafen ... Genau«, sagte er, als ich nicht antwortete. »Du weißt nichts darüber.«
    »Nein.«
    »Natürlich nicht.«
    »Wirklich nicht.«
    »Was habt ihr dann da drin gemacht?«
    Ich schaute ihn einen Moment lang an. Dann holte ich eine Handvoll Tabletten aus der Tasche und zeigte sie ihm.
    Er beugte sich vor und zog die Brauen zusammen, und ganz plötzlich wurden seine benebelten Augen intelligent und wachsam. Er nahm eine Kapsel und hielt sie geschäftsmäßig ins Licht. »Was ist das?« fragte er. »Weißt du das?«
    »Sudafed«, sagte ich. »Bemüh dich nicht. Da ist nichts drin.«
    Er gluckste. »Weißt du, wieso?« Zum erstenmal sah er mich
wirklich freundlich an. »Weil ihr an der falschen Stelle gesucht habt.«
    »Was?«
    Er sah sich um. »Den Gang runter. Durchs Schlafzimmer. Ich hätt’s euch gesagt, wenn ihr gefragt hättet.«
    Ich war verblüfft. »Woher weißt du das?«
    Er steckte die Kapsel ein und sah mich mit hochgezogener Braue an. »Ich bin in diesem Hause praktisch aufgewachsen«, sagte er. »Die alte Kathy pfeift sich regelmäßig ungefähr sechzehn verschiedene Sorten Dope rein.«
    Ich blickte zu der geschlossenen Schlafzimmertür hinüber.
    »Nein«, sagte er. »Nicht jetzt.«
    »Wieso nicht?«
    »Bunnys Grandma. Sie muß sich hinlegen, wenn sie gegessen hat. Wir kommen später noch mal rauf.«
     
    Unten hatte sich der Trubel ein wenig gelegt, aber nicht sehr. Camilla war nirgends zu sehen. Charles stand, gelangweilt und betrunken, angelehnt in einer Ecke und hielt sich ein Glas an die Schläfe, während eine in Tränen aufgelöste Marion auf ihn einplapperte. Sie hatte sich das Haar mit einer der riesigen Backfischschleifen aus dem Talbots-Katalog zurückgebunden. Ich hatte noch keine Chance gehabt, mit ihm zu reden, da sie ihn fast pausenlos beschattet hatte, seit wir hier waren. Weshalb sie sich so entschlossen an ihn hängte, weiß ich nicht, aber mit Cloke sprach sie nicht, Bunnys Brüder waren entweder verheiratet oder verlobt, und von den verbleibenden männlichen Wesen ihres Alters – Bunnys Cousins, Henry und ich, Bram Guernsey und Rooney Wynne – sah Charles mit Abstand am besten aus.
    Er sah über ihre Schulter hinweg zu mir herüber. Ich brachte es nicht fertig, hinzugehen und ihn zu retten. Statt dessen machte ich mich auf die Suche nach Henry. Er stand mit Mr. Corcoran in der Küche, umringt von einem Halbkreis von Leuten; Mr. Corcoran hatte ihm den Arm um die Schultern gelegt und sah aus, als

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