Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
Vom Netzwerk:
herrschte jetzt dämmriges Zwielicht – und setzten uns am Fenster auf ein langes Sofa, das mit einem Laken bedeckt war. Die warme Luft duftete nach Flieder. Hinten auf dem Rasen hörten wir, wie Mr. Hatch den Rasenmäher wieder zu starten versuchte.
    Francis hatte die Arme auf der Rückenlehne des Sofas verschränkt und das Kinn draufgelegt. Er schaute aus dem Fenster. »Ich weiß nicht, was ich machen soll«, sagte er. »Er hat den Laster gestohlen, weißt du.«
    »Vielleicht kommt er ja zurück.«
    »Ich habe Angst, er könnte einen Unfall bauen. Oder ein Cop winkt ihn raus. Ich wette, er ist besoffen. Das fehlte ihm gerade noch, daß er wegen Trunkenheit am Steuer angehalten wird.«
    »Sollten wir ihn nicht suchen?«
    »Ich wüßte nicht, wo ich anfangen soll. Er könnte schon halb in Boston sein, nach allem, was wir wissen.«
    »Was können wir sonst machen? Hier rumsitzen und warten, daß das Telefon klingelt?«
     
    Als erstes suchten wir die Bars ab: »Farmer’s Inn«, »Village«, »Boulder Tap« und »Notty Pine«. »The Notch«. »The Four Squires«. »The Man of Kent«. Wir hatten eine dunstige, prachtvolle Sommerdämmerung, und die kiesbedeckten Parkplätze waren vollgestopft mit Kleinlastern, aber keiner davon gehörte Mr. Hatch.
    Ohne uns viel davon zu versprechen, fuhren wir noch bei der Staatlichen Spirituosenhandlung vorbei. Die Gänge dort waren hell erleuchtet und leer; knallige Rum-Reklamen (»Tropeninsel zu gewinnen!«) konkurrierten mit nüchternen, medizinisch aussehenden Reihen von Wodka- und Ginflaschen. Eine Pappsilhouette mit einer Werbung für Weinschorle drehte sich unter der Decke. Es waren keine Kunden da; ein fetter alter Mann, der eine nackte Frau auf den Unterarm tätowiert hatte, lehnte an der Registrierkasse und vertrieb sich die Zeit mit einem Jungen, der im Supermarkt nebenan arbeitete.
    »Und da«, hörte ich ihn mit gedämpfter Stimme sagen, als ich vorbeiging, »da zieht der Kerl eine abgesägte Schrotflinte raus. Emmett steht so neben mir, genau da, wo ich jetzt bin. ›Wir haben keinen Schlüssel für den Geldschrank‹, sagt Emmet. Da drückt der Kerl ab, und ich sehe Emmetts Gehirn« – er machte eine Geste –, »wie es dahinten überall an die Wand klatscht ...«
    Wir fuhren auf dem ganzen Campus herum, sogar über den Parkplatz der Bibliothek, und kämmten dann noch einmal die Bars durch.
    »Er ist weggefahren«, sagte Francis. »Ich weiß es.«
    »Glaubst du, Mr. Hatch ruft die Polizei?«
    »Was würdest du denn machen, wenn es dein Laster wäre? Er wird nichts unternehmen, ohne mit mir zu reden, aber wenn Charles, sagen wir, morgen nachmittag noch nicht zurück ist ...«
    Wir beschlossen, am Albemarle vorbeizufahren. Henrys Wagen parkte draußen. Francis und ich betraten vorsichtig die Lobby;
wir wußten nicht recht, wie wir uns dem Hotelier gegenüber verhalten sollten, aber wunderbarerweise war niemand an der Rezeption.
    Wir gingen die Treppe hinauf nach 3-A. Camilla machte uns die Tür auf. Sie und Henry saßen beim Abendessen, das sie sich vom Zimmerservice hatten heraufbringen lassen – Lammkoteletts, eine Flasche Burgunder, eine gelbe Rose in einer Vase.
    Henry war nicht gerade erfreut, uns zu sehen. »Was kann ich für euch tun?« fragte er und legte die Gabel hin.
    »Es geht um Charles«, sagte Francis. »Er ist verschwunden.«
    Und er erzählte die Geschichte von dem Kleinlaster. Ich setzte mich neben Camilla; ich hatte Hunger, und ihre Koteletts sahen ziemlich gut aus. Sie sah, daß ich sie anschaute, und schob mir abwesend den Teller herüber. »Hier, iß nur«, sagte sie.
    Das tat ich, und ein Glas Wein nahm ich mir auch. Henry aß gleichmäßig weiter, während er zuhörte. »Was glaubt ihr, wo er hin ist?« fragte er, als Francis geendet hatte.
    »Woher, zum Teufel, soll ich das wissen?«
    »Du kannst doch verhindern, daß Mr. Hatch ihn anzeigt, oder?«
    »Nicht, wenn er seinen Laster nicht zurückkriegt. Oder wenn Charles ihn kaputtfährt.«
    »Was könnte so ein Kleinlaster denn kosten? Mal vorausgesetzt, daß deine Tante ihn nicht überhaupt gekauft hat.«
    »Darum geht es nicht.«
    Henry wischte sich mit einer Serviette den Mund ab und holte seine Zigaretten aus der Tasche. »Charles entwickelt sich zu einem ziemlichen Problem. Wißt ihr, was ich mir schon überlegt habe? Ich habe mich gefragt, was es wohl kostet, eine private Krankenschwester zu engagieren.«
    »Um ihn vom Trinken runterzubringen, meinst du?«
    »Natürlich. Wir können

Weitere Kostenlose Bücher