Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)

Titel: Die geheime Geschichte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
Vom Netzwerk:
Bunny hat Stout besorgt; jetzt können wir Schwarz-Braune machen. Was haben wir heute zu essen?«
    Ich stand auf.
    Für einen Sekundenbruchteil verstummten sie alle. Dann drückte Bunny seine Papiertüte Henry in den Arm, trat vor und schüttelte mir die Hand. »So, so. Wenn das nicht mein Partner im Verbrechen ist«, sagte er. »Hast noch nicht genug vom Essengehen, eh?«
    Er schlug mir auf die Schulter und fing an zu plappern. Mir war heiß und ziemlich übel. Mein Blick wanderte im Zimmer umher. Francis redete mit Camilla. Henry stand an der Tür und begrüßte mich mit einem knappen Kopfnicken und einem fast unmerklichen Lächeln.
    »Entschuldige«, sagte ich zu Bunny, »ich bin gleich wieder da.«
    Ich ging in die Küche. Sie sah aus wie die Küche im Haus eines alten Menschen, mit schäbigem Linoleumfußboden und – passend zu dieser wunderlichen Wohnung – einer Tür, die auf das Dach hinausführte. Ich ließ Leitungswasser in ein Glas laufen und stürzte es hinunter, zu viel und zu schnell. Charles stand vor dem offenen Backofen und stocherte mit einer Gabel an ein paar Lammkoteletts herum.
    Ich bin – hauptsächlich dank einer ziemlich zermürbenden Besichtigungstour durch eine Fleischfabrik, die ich in der sechsten Klasse unternommen habe – nie ein großer Fleischesser gewesen, und den Geruch von Lammfleisch hätte ich selbst unter den günstigsten Umständen nicht sonderlich ansprechend gefunden, aber in meinem derzeitigen Zustand war er besonders widerwärtig. Die Tür zum Dach wurde durch einen Küchenstuhl aufgehalten, und ein Luftzug wehte durch das verstaubte Fliegengitter herein. Ich ließ mein Glas noch einmal vollaufen und stellte mich damit an die Tür: Tief durchatmen , dachte ich. Frische Luft, das ist die Parole  ... Charles verbrannte sich den Finger, fluchte und schlug die Ofentür zu. Als er sich umdrehte und mich sah, schien er überrascht.
    »Oh, hallo«, sagte er. »Was gibt’s? Kann ich dir noch was zu trinken besorgen?«
    »Nein, danke.«
    Er spähte in mein Glas. »Was hast du da? Ist das Gin? Wo hast du den denn ausgegraben?«
    Henry erschien in der Tür. »Hast du ein Aspirin?« fragte er Charles.
    »Da drüben. Trink doch was, ja?«
    Henry schüttelte sich ein paar Aspirin zu einigen mysteriösen
Pillen aus seiner Tasche in die flache Hand und spülte sie mit dem Glas Whiskey hinunter, das Charles ihm reichte.
    Er hatte das Aspirinfläschchen auf der Anrichte stehenlassen; verstohlen ging ich hin und nahm mir auch zwei, aber Henry sah es. »Bist du krank?« fragte er nicht unfreundlich.
    »Nein, ich hab’ bloß Kopfschmerzen«, sagte ich.
    »Hoffentlich nicht oft?«
    »Was ist?« fragte Charles. »Ist hier jeder krank?«
    »Wieso sind alle hier drin?« Bunnys gequälte Stimme kam dröhnend aus dem Gang. »Wann essen wir?«
    »Gedulde dich, Bun, es dauert nur eine Minute.«
    Er kam hereingeschlendert und spähte über Charles’ Schulter hinweg auf die Platte mit den Koteletts, die dieser eben aus dem Ofen genommen hatte. »Sehen fertig aus, finde ich«, sagte er, und er langte herüber, faßte ein winziges Kotelett am knochigen Ende und fing an, daran zu nagen.
    »Bunny, nicht, wirklich«, sagte Charles. »Das reicht sonst nicht für alle.«
    »Ich verhungere«, sagte Bunny mit vollem Mund. »Bin schon ganz schwach vor Hunger.«
    »Vielleicht können wir die Knochen aufheben, damit du sie abkauen kannst«, sagte Henry grob.
    »Ach, halt die Klappe.«
    »Echt, Bunny, ich wünschte, du würdest noch eine Minute warten«, sagte Charles.
    »Okay«, sagte Bunny, aber als Charles ihm den Rücken zuwandte, streckte er die Hand aus und klaute sich noch ein Kotelett. Rosafarbener Saft rieselte ihm in dünnem Rinnsal über die Hand und verschwand in seinem Ärmel.
     
    Wenn ich sagen wollte, das Essen verlief schlecht, wäre das eine Übertreibung, aber besonders gut ging es auch nicht. Ich tat zwar eigentlich nichts Dummes und sagte auch nichts, was ich besser nicht gesagt hätte, aber ich fühlte mich niedergeschlagen und gallig, und ich sprach wenig und aß noch weniger. Ein großer Teil der Unterhaltung drehte sich um Ereignisse, von denen ich nichts wußte, und auch die erklärenden Bemerkungen, die Charles freundlicherweise einschob, trugen nicht viel zur Aufhellung bei. Henry und Francis diskutierten endlos darüber, in welchem Abstand voneinander die Soldaten einer römischen Legion gestanden hätten: Schulter an Schulter (wie Francis sagte) oder (wie Henry
behauptete)

Weitere Kostenlose Bücher