Die geheime Geschichte: Roman (German Edition)
Vermont‹«, ergänzte Henry und zündete sich eine Zigarette an.
Francis fing an zu lachen.
»Wie dem auch sei«, sagte Henry schließlich, »das große Problem ist jetzt Bunny.«
»Was fehlt ihm denn?«
»Ihm fehlt nichts.«
»Was ist dann das Problem?«
»Er kann einfach den Mund nicht halten; das ist alles.«
»Habt ihr denn nicht mit ihm gesprochen?«
»Doch, ungefähr zehnmillionenmal.«
»Hat er versucht, zur Polizei zu gehen?«
»Wenn er so weitermacht«, meinte Henry, »braucht er das gar nicht. Die kommen dann zu uns. Argumente nützen nichts bei ihm. Er begreift einfach nicht, was für eine ernste Sache das ist.«
»Er will doch sicher nicht, daß ihr ins Gefängnis kommt.«
»Wenn er darüber nachdenken wollte, würde ihm sicher klarwerden, daß er das nicht will«, sagte Henry gleichmütig. »Und ihm würde sicher auch klarwerden, daß er selbst keine große Lust hat, ins Gefängnis zu kommen.«
»Bunny? Aber wieso ... ?«
»Weil er seit November Bescheid weiß und nicht zur Polizei gegangen ist«, sagte Francis.
»Aber darum geht es nicht«, fuhr Henry fort. »Sogar er ist vernünftig genug, uns nicht anzuzeigen. Er hat kein richtiges Alibi für die Mordnacht, und wenn wir übrigen ins Gefängnis müssen,
dann, denke ich, muß er wissen, daß ich alles tun würde, was in meiner Macht steht, um dafür zu sorgen, daß er mitgeht.« Er drückte seine Zigarette aus. »Das Problem ist, er ist ein Trottel, und früher oder später wird er vor den falschen Leuten das Falsche sagen. Vielleicht nicht absichtlich, aber ich kann nicht behaupten, daß mich seine Motive in diesem Augenblick besonders interessieren. Du hast ihn heute morgen gehört. Er säße selber mächtig in der Tinte, wenn die Polizei etwas erfahren würde, aber natürlich bildet er sich ein, diese grauenhaften Witze wären alle schrecklich subtil und clever und kein Mensch würde etwas mitkriegen.«
»Er ist gerade klug genug, um zu erkennen, was für ein Fehler es wäre, uns anzuzeigen«, ergänzte Francis und schenkte sich einen weiteren Drink ein. »Aber anscheinend kann man ihm nicht einhämmern, daß es vor allem in seinem eigenen Interesse wäre, nicht herumzulaufen und zu quatschen, wie er quatscht. Und, ehrlich gesagt, ich bin gar nicht sicher, daß er nicht einfach damit herausrückt und es irgend jemandem erzählt, wenn er mal wieder in Geständnislaune ist.«
»Wie hat er es denn überhaupt herausgefunden? Er war doch schließlich nicht dabei, oder?«
»Genau«, antwortete Francis, »er war nämlich bei dir .« Er warf Henry einen Blick zu, und zu meiner Überraschung fingen sie beide an zu lachen.
»Was denn? Was ist so lustig?« fragte ich erschrocken.
Das rief neue Lachsalven hervor. »Gar nichts«, brachte Francis schließlich hervor.
»Wirklich, es ist nichts«, sagte Henry mit einem nachdenklichen kleinen Seufzer. »In letzter Zeit bringen mich die merkwürdigsten Sachen zum Lachen.« Er zündete sich eine neue Zigarette an. »Er war mit dir zusammen an dem Abend, zuerst jedenfalls. Erinnerst du dich? Ihr wart im Kino.«
»Die neununddreißig Stufen «, sagte Francis.
Mit leisem Schrecken erinnerte ich mich tatsächlich: ein windiger Herbstabend, der Vollmond von staubigen Wolkenfetzen verhüllt. Ich hatte lange in der Bibliothek gearbeitet und war nicht zum Essen gegangen.
Auf dem Heimweg – ich hatte ein Sandwich aus der Snackbar in der Tasche gehabt, und das trockene Laub hatte vor mir auf dem Weg gewirbelt und getanzt – war ich Bunny über den Weg gelaufen. Er hatte in die Hitchcock-Reihe gehen wollen, die der Filmclub im Auditorium zeigte.
Wir kamen zu spät, und es gab keine Plätze mehr; deshalb setzten wir uns auf die teppichbelegten Treppenstufen; Bunny stützte sich rücklings auf die Ellbogen und streckte die Beine von sich. Der kräftige Wind rüttelte an den dünnen Wänden, und eine Tür schlug hin und her, bis jemand sie mit einem Ziegelstein blockierte. Auf der Leinwand kreischten Lokomotiven durch einen schwarzweißen Alptraum von eisenbrückenüberspannten Abgründen.
»Wir haben danach noch was getrunken«, erzählte ich. »Dann ist er auf sein Zimmer gegangen.«
Henry seufzte. »Ich wünschte, das hätte er getan.«
»Er hat immer wieder gefragt, wo ihr wärt.«
»Er wußte es ganz genau. Wir hatten ihm ein halbes dutzendmal angedroht, ihn zu Hause zu lassen, wenn er sich nicht benähme.«
»Und da kam er auf die glänzende Idee, zu Henry zu kommen und ihm angst zu
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